Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0263
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5. KURTZER VNDERRICHT VND GRUNDE

259

Mißlingt auch dieser Versuch, den Verirrten zur Buße zu bewegen, so wird der »kleine
Bann« verhängt: Er wird von dem in der »Christlichen Gemeinschaft« geübten Gebet
und vom Sakramentsempfang ausgeschlossen, jedoch nicht von den Gottesdiensten.
Seine Wiedergewinnung für die Kirche und ihren Herrn bleibt unaufgebbares Ziel.
Christen, die in öffentlichen Sünden leben, der Gemeinde dauernden Anstoß geben und
nicht zur Umkehr zu bewegen sind, werden der weltlichen Obrigkeit und ihren Zucht-
gerichten zur Bestrafung übergeben.
Die Wiederaufnahme eines aus der Gemeinde Ausgeschlossenen erfordert Liebe und
Takt. Scheint den Seelsorgern und ihren Helfern die Bereitschaft zur Buße echt zu sein
und stellen sie ernstliche »Bußzeichen« fest, so kehrt der Sünder nach öffentlichem
Bekennen seiner Schuld, der Bitte um Vergebung und dem Gelöbnis seiner Besserung in
die Gemeinde zurück, der das Amt der Schlüssel zu gebrauchen befohlen ist.
Einer besonderen Regelung bedarf die Zuchtübung an den »Schwestern«, d. h. den
Frauen der Gemeinde, die sich zur »Christlichen Gemeinschaft« bekannt haben. Sie
sind zuvor vom Hausvater (oder einem Seelsorgediener im Beisein des Hausvaters)
unterwiesen worden und haben diesem gegenüber das Versprechen christlichen Gehor-
sams abgelegt. Daraufhin sind sie dem Pfarrer als Glied der »Christlichen Gemein-
schaft« gemeldet worden. Wird eine Übung der Zucht nötig, so erfolgt die schwesterli-
che Mahnung und Warnung zunächst durch Frauen (»Seelsorgedienerinnen«), erst
unter vier Augen, danach im Beisein von Zeugen. Vom dritten Akt der Kirchenzucht an
greifen mit dem Hausvater die Verordneten christlicher Zucht und der Pfarrer ein.
Bei allen geschilderten Zuchtmaßnahmen, sowohl beim Ausschließen als auch beim
Wiederaufnehmen, haben Pfarrer und Zuchtverordnete nach Möglichkeit mit den von
der Obrigkeit bestellten Kirchspielpflegern zusammenzuwirken.
In einem zweiten Teil werden drei Einwände gegen die beabsichtigte Einführung und
Regelung christlicher Zucht widerlegt:
1. Dadurch daß nur ein kleiner Kreis der Gemeindeglieder sich zur »Christlichen
Gemeinschaft« halten und sich damit freiwillig der brüderlichen Zucht unterwerfen
wird, könnte es zur Spaltung der Kirche kommen. - Antwort: Aus dem Gehorsam
gegen Gottes Willen kann kein Schaden entstehen. Schon jetzt ist der Kreis derer, die
sich treu zu Gottes Wort und Sakrament halten, eine Minderheit in den Gemeinden der
Stadt. Dazu hätte es nicht kommen müssen, wenn die Obrigkeit die bürgerliche Zucht
ernster genommen und ihr Zuchtamt nicht so nachlässig gehandhabt hätte. Aber eine
Spaltung der Kirche kann doch wohl nicht dadurch entstehen, daß ein (wachsender)
Kreis der Gemeinde, gleichsam stellvertretend für die Gesamtheit, mit ganzem Ernst
dem Gebot Gottes und dem Willen Jesu nachlebt.
2. Es wird ein neues Papsttum entstehen, wenn der durch Jahrhunderte hindurch
mißbrauchte Bann wieder eingeführt werden würde. - Antwort: Der Papst hat in der
Kirche dadurch so viel Unheil und Schaden angerichtet, daß er die Laien ihrer Mitver-
antwortung für die Kirche beraubt und sich weltliche Macht angemaßt hat. Die
»Christliche Gemeinschaft« aber will das Gegenteil: sie weist alle Entscheidungen nicht
Einzelnen, sondern der ganzen Gemeinde und ihren Beauftragten zu. Eine gute bürger-
liche Ordnung ist durch eine Obrigkeit gewährleistet, die ihr Amt als unter dem Auftrag
Gottes stehend versteht. Ihre Mithilfe bei einer Erneuerung des Lebens der Kirche ist
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften