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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0350
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

II. Zum Augsburger Interim 1548/1549
Einleitung
Bucers Urteil über das Interim hat eine Zeitlang zwischen Zustimmung und Ablehnung
geschwankt. Grundsätzlich lag dieser späte Versuch Karls V., den Religionsstreit in
Deutschland im Jahre 1547 auf einem Reichstag beilegen zu lassen, auf der Linie der
jahrelangen Bemühungen des Straßburgers um einen Ausgleich zwischen beiden Reli-
gionsparteien. Sein Wort hatte bei den Reichsständen, soweit sie guten Willens eine
Einigung anstrebten, großes Gewicht: wie kaum einem anderen Protestanten traute man
ihm zu, er werde am ehesten in den gegensätzlichen Glaubensstandpunkten vermitteln
können. Bucer hatte sich durch die gescheiterten Religionsgespräche der letzten Jahre
nicht entmutigen lassen, und in Wittenberg hatte jetzt nicht mehr Luther, sondern
Melanchthon das Wort. Die außenpolitische Lage des Kaisers schien einigermaßen
geklärt, der eigenwillige Papst Paul III., der das Konzil nach Trient einberufen hatte,
war des Kaisers Freund nicht und umgekehrt. Die Vorzeichen für ein Gelingen des
kirchlichen Vergleichs schienen daher günstig. Im Herbst 1547 trat der Reichstag in
Augsburg zusammen.
So kam Bucer die Bitte des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg an den Rat der
Stadt, er möge diesen als theologischen Ratgeber der protestantischen Stände zum
Reichstag entsenden, nicht ungelegen. Seit Monaten befaßte man sich in Augsburg
neben anderen Reichssachen damit, eine Vergleichsformel zu finden, die für beide
Religionsparteien annehmbar sein könnte. Schon am 27. Januar 1548 verließ Bucer
Straßburg und traf nach längerem Zwischenaufenthalt in Ulm am 30. März in Augsburg
ein. In der Herberge des brandenburgischen Kurfürsten wurde ihm noch am gleichen
Tage der inzwischen ausgehandelte Entwurf der interimistischen Vergleichsformel - als
»Märzformel« bekannt - übergeben. Bucer ging unverzüglich an die theologische Über-
prüfung.
Zwei Tage später, am Ostermontag, fand Bucers erste Begegnung mit den Kurfürsten
von Brandenburg und der Pfalz statt. Dem mehrstündigen Gespräch folgte noch am
Abend ein erster Brief an beide (Dok. 1). Er enthielt eine bedingte, wenn auch nur auf
die eigene Person beschränkte Zustimmung zum Interim. Ein kurzer Brief an Franzis-
kus Dryander vermittelte erste Eindrücke (Dok. 2). Eine ausführliche theolo-
gisch begründete Stellungnahme zum Interim enthielt ein vielseitiges Memorandum, das
Bucer den genannten Kurfürsten am 4. April in Briefform zustellte (Dok. 3). Es beweist
die Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt, mit der er den Text untersucht hatte. Ehrlich wird
nach Wegen gesucht, dem Anliegen des Interims gerecht zu werden, doch ist Bucers
Urteil jetzt zurückhaltender und vorsichtiger als zuvor in seinem ersten Brief.
In den folgenden Tagen besprachen sich die beiden Kurfürsten zweimal mit dem
Kaiser. Das eigentliche Thema ihrer Unterredung war zweifellos das Interim. Die erste
Audienz der Kurfürsten bei Karl V. lag vor, die zweite nach dem Empfang des Memo-
randums, das sie sichtlich verstimmt hatte. Sie hatten sich offenbar leichteres Spiel mit
dem Straßburger erhofft und wohl auch mit größerer Zugänglichkeit des Kaisers ge-
rechnet. In den Tagen bis zum 10. April schrieb Bucer verschiedene Briefe. Zwei davon
 
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