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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Esser, Hartmut: Ethnische Bildungsungleichheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0066
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21. April 2012

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(10) Das scheint für die Gültigkeit der sog. Heckman-Hypothese zu sprechen: Die
frühen Vorgänge des Kompetenzerwerbs seien für den späteren Bildungserfolg
prägender als das, was danach kommt. Definitiv belegt ist das bisher nicht, weil
es die entsprechenden langfristigen Studien dazu (noch) nicht gibt.
(11) Im internationalen Vergleich unterscheidet sich Deutschland bei den sozialen und
ethnischen Bildungsungleichheiten, wenn die Besonderheiten der jeweiligen
Migrantenpopulationen berücksichtigt werden, nicht (mehr) besonders von
anderen Ländern mit vergleichbaren Strukturen, speziell nicht nach den Anglei-
chungen in den letzten zehn Jahren bei den Migrantenkindern der ersten und
der zweiten Generation. Es ist nicht geklärt, woran diese Verbesserungen und
Angleichungen liegen.
(12) Innerhalb von Deutschland gibt es deutliche Unterschiede im Bildungserfolg
auch der Migrantenkinder zwischen den Bundesländern. Die beiden Südländer
(Bayern und Baden-Württemberg) schneiden bei den Leistungen in der Sekun-
darstufe 1 bei den Migrantenkindern wie bei den Einheimischen deutlich
besser ab als insbesondere die Stadtstaaten Berlin und Bremen (und auch in
mancher Hinsicht Hamburg) und sind bei der sozialen Durchlässigkeit in den
Leistungen in der Sekundarstufe 1 mindestens nicht schlechter, auch nicht im
internationalen Vergleich. Besonders undurchlässig bei den Leistungen in der
Sekundarstufe 1 ist Berlin. Bei der Bildungsbeteiligung gibt es das umgekehrte
Muster. Hier sind die Stadtstaaten, speziell Berlin in der Chance auf den Über-
gang in ein Gymnasium sozial deutlich durchlässiger als besonders die beiden
Südstaaten. Für die Leistungen in der Grundschule findet sich insgesamt das glei-
che Muster. Mit dem Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe
ändern sich demnach die Relationen zwischen den Bundesländern in den Leis-
tungsniveaus nicht. Sie scheinen auch nicht bloß auf der unterschiedlichen
Komposition nach individuellen Merkmalen zu beruhen: In den Ländern mit
den höheren Leistungsniveaus sind auch die Kinder aus den unteren Schichten,
den niedrigeren Leistungsklassen und mit Migrationshintergrund besser und
die Stadtstaaten schneiden bei den Leistungen (in der Grundschule) schlechter
ab als die (anderen) Großstädte. Definitiv geklärt sind diese Unterschiede und
Inkonsistenzen bisher nicht.
(13) Insgesamt bekräftigt sich auch im Vergleich mit Erfahrungen der intergenera-
tionalen Integration in anderen Ländern und in der auch längeren Vergangen-
heit der traditionellen Einwanderungsgesellschaften der Eindruck, dass die
Umstände und Entwicklungen der aktuellen Migrationsbewegungen insgesamt
und in Deutschland nicht außergewöhnlich sind. Es wird vielmehr erkennbar,
dass hinter dem Geschehen offenbar recht robuste und schon strukturell relativ
fest gelegte Vorgänge stehen, die schon ihre Zeit brauchen, dass die Integration
erst über die Generationen hinweg möglich und Friktionen vieler Art dabei
unvermeidlich sind, aber auch, dass es insgesamt einen ebenso starken integra-
tiven Grundprozess gibt.
(14) Das heißt jedoch nicht, in der Aufmerksamkeit und in den Anstrengungen zur
Bekämpfung ethnischen Bildungsungleichheiten nachzulassen. Wohl aber: In
 
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