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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2012
DOI Artikel:
Schleich, Wolfgang: Das Prinzip der Komplementarität in der Quantenphysik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0077
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96

SITZUNGEN

Das Jahr 1900 markiert die Geburt der Quantenmechanik durch die Entdeckung der
Strahlungsformel von Max Planck [3], Grundlage seiner Theorie ist die Tatsache, dass
Energie nur in diskreten Portionen, d.h. in quantisierter Form, ausgetauscht werden
kann. Die kleinste Energieeinheit in diesem Prozess ist gegeben durch das Produkt
der Frequenz des Eichtes und einer Naturkonstanten, die nach Planck benannt ist.
Damit wird Licht wieder eine Teilchennatur zugesprochen. Fünf Jahre später wurde
dies noch stärker betont, denn das Lichtquant, wie es Albert Einstein [4] nannte,
bekam einen Impuls. Erst sehr viel später bürgerte sich in der Physikergemeinde der
Begriff Photon für das Lichtquant ein. Er wurde von dem Chemiker Gilbert Lewis
[5j geprägt und bezeichnete ursprünglich etwas völlig anderes.
Photonen spielen heute eine zentrale Rolle in der Quantenmechanik des
Lichtes [6] und es ist akzeptiert, dass sich Licht in manchen Experimenten als Teil-
chen-, aber in anderen auch als Wellenphänomen zeigt. Diesen Effekt nennt man den
Welle-Teilchen-Dualismus des Lichtes.
Seit Louis de Broglie’s Dissertation [7] im Jahr 1924 ordnet man Materie eben-
falls eine Welle zu. Die Welleneigenschaft von Teilchen wurde auch in zahlreichen
Interferenzexperimenten mit Elektronen, Atonien und auch großen Molekülen wie
Fullerenen nachgewiesen [8], Somit gibt es neben dem Welle-Teilchen-Dualismus
von Licht auch einen von Materie. Dieser ist in dem Formalismus der Quanten-
mechanik verankert.
Schon in den Anfangsjahren der Quantenmechanik wurde intensiv über deren
Interpretation diskutiert [9| und auch heute ist diese Frage noch hoch interessant.
Zwar liefert der mathematische Apparat präzise Vorhersagen für jedes Experiment,
aber über die Interpretation lässt sich vortrefflich streiten. Insbesondere ist es für
unser makroskopisch geprägtes Denken schwer zu verstehen, dass mikroskopische
Teilchen keine Eigenschaften haben, bis man sie beobachtet. Dies kommt klar in der
berühmten Arbeit [10] von Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen aus
dem Jahr 1935 zum Ausdruck. Diese betrachteten zwei Teilchen, die so verkoppelt,
oder wie es Erwin Schrödinger nannte, verschränkt sind, dass wenn man eines davon
misst, man sofort eine Aussage über das andere bekommt.
Diese Korrelationen sind jedoch völlig verschieden von den klassischen. Man
stelle sich vor, man schneide eine Münze in der Mitte durch, sodass die eine Hälfte
Zahl, die andere Kopf zeigt. Wenn man je eine Münze in einen Umschlag steckt und
zwei Beobachtern überreicht, so wird, wenn einer von den beiden seinen Umschlag
öffnet und Zahl findet, er sofort wissen, dass der Umschlag seines Kollegen Kopf
enthält. In der Quantenwelt existiert weder Kopf noch Zahl, bis man den Umschlag
öffnet.
Dass diese Aussage der Nichtexistenz ohne Beobachtung [11] nicht nur philo-
sophischer Art ist, sondern auch experimentelle Konsequenzen hat, konnte John Bell
[12] im Jahr 1964 zeigen. Wenn man nämlich davon ausgeht, dass Teilchen zwar
Eigenschaften haben, wir sie aber nur nicht kennen [13], so bekommt man eine
andere Vorhersage als die der Quantenmechanik. Diese Diskrepanz konnte in vielen
Experimenten nachgewiesen werden [14],
 
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