Akademiekonferenzen | 301
wurden jedoch auch vielfach Stimmen gegen solche Interpretationen erhoben und
sie haben die Allgegenwart der Gabe auch in „market societies“ betont, ebenso die
Verflechtung der beiden Tauschformen — die „traditionelle“ Interpretation, die in
Klassikern wie Mauss, Polanyi und Levi Strauss zu finden ist, besitzt jedoch immer
noch große Strahlkraft, und sie hat die Studien über die Gabe in der antiken Welt
stark beeinflusst, insbesondere durch M. I. Finley. Einige Wirtschaftswissenschaftler
haben sich in den letzten Jahren diesem Thema ebenfalls gewidmet und die Idee
eines Umbruchs wurde kritisiert — so konnte ganz im Gegenteil die Theorie einer
„efflorescence of gift exchange“ entwickelt werden: laut z.B.Van de Klundert und
Van de Ven ist der Gabentausch auch in unserer Gesellschaft, insbesondere in seiner
Reziprozität, mit moralischen Werten eng verbunden und es existiert keine deter-
ministische Entwicklung, die von der Gabe zum Handel führt, sondern die stetige
Aushandlung eines Gleichgewichts zwischen den beiden Tauschformen. Die antike
Welt spielt in dieser ganzen wissenschaftlichen Debatte eine große Rolle: nicht nur
hatte Aristoteles z.B. schon über „gute“ und „schlechte“ Tauschformen diskutiert
(und die Idee eines historischen Umbruchs eingeführt); Xenophon hatte dazu schon
den „bonding value“ der Gabe identifiziert, den Wert, durch den die Gabe soziale
Beziehungen konstruiert und in der Gesellschaft sichtbar macht — dies auch in einem
hierarchischen Sinne. Die antike Welt wurde darüber hinaus häufig in der modernen
Literatur als Ort „antiker“, „vorkapitalistischer“ Tauschformen benutzt; der Begriff
der „embeddedness“ der antiken Wirtschaft wurde so thematisiert, nicht nur als Ver-
flechtung des Ökonomischen mit dem Sozialen und dem Politischen, sondern auch
als Verflechtung der verschiedenen Tauschformen, ihrer Motive, ihrer Konsequenzen
und ihrer sozialen und moralischen Werte. Durch dieses Modell konnte die Tagung
demonstrieren, dass keine „Great transformation“ vonnöten ist, aber auch, dass die
Gabe keine stets identische Konstante ist — was sich historisch wandelt, ist das
Gleichgewicht in diesen Formen der Verflechtung: wie die Gabe in Bezug auf die
anderen Tauschformen verstanden und konstruiert wird, was damit vermittelt wird
usw. Die Gabe muss deshalb — und dies wurde durch die Tagung deutlich — in ihrem
historischen, sozialen, kulturellen (auch religiösen) und wirtschaftlichen Kontext
analysiert werden, ohne dabei zu ignorieren, dass die Gabe bis zu sechs verschiede-
ne Akteure voraussetzen kann: den Geber, den Empfänger, den Vermittler, die Gott-
heit, das Publikum und das Objekt. Eine weitere Feststellung der Tagung war eben-
falls, dass die Rolle des Objektes nicht vernachlässigt werden darf: auch das Objekt
ist ein Akteur, der soziale Beziehungen konstruieren und verstärken kann; die Wahl
des Objektes spielt eine bedeutende Rolle, und das Objekt in se bekommt einen
Wert, der ihn von anderen gleichen Gegenständen aussondert und es somit häufig
zu einer „inalienable possession“ macht. Die Antike liefert deshalb dieser wissen-
schaftlichen Debatte nicht nur wichtige Fallstudien, sondern auch die Möglichkeit,
vorkapitalistische Gesellschaften zu untersuchen. Somit kann besser identifiziert
werden, wie die politischen, sozialen und kulturellen Entwicklung (z.B. durch die
Christianisierung) die Gabe und ihre Formen beeinflusst und geändert haben.
wurden jedoch auch vielfach Stimmen gegen solche Interpretationen erhoben und
sie haben die Allgegenwart der Gabe auch in „market societies“ betont, ebenso die
Verflechtung der beiden Tauschformen — die „traditionelle“ Interpretation, die in
Klassikern wie Mauss, Polanyi und Levi Strauss zu finden ist, besitzt jedoch immer
noch große Strahlkraft, und sie hat die Studien über die Gabe in der antiken Welt
stark beeinflusst, insbesondere durch M. I. Finley. Einige Wirtschaftswissenschaftler
haben sich in den letzten Jahren diesem Thema ebenfalls gewidmet und die Idee
eines Umbruchs wurde kritisiert — so konnte ganz im Gegenteil die Theorie einer
„efflorescence of gift exchange“ entwickelt werden: laut z.B.Van de Klundert und
Van de Ven ist der Gabentausch auch in unserer Gesellschaft, insbesondere in seiner
Reziprozität, mit moralischen Werten eng verbunden und es existiert keine deter-
ministische Entwicklung, die von der Gabe zum Handel führt, sondern die stetige
Aushandlung eines Gleichgewichts zwischen den beiden Tauschformen. Die antike
Welt spielt in dieser ganzen wissenschaftlichen Debatte eine große Rolle: nicht nur
hatte Aristoteles z.B. schon über „gute“ und „schlechte“ Tauschformen diskutiert
(und die Idee eines historischen Umbruchs eingeführt); Xenophon hatte dazu schon
den „bonding value“ der Gabe identifiziert, den Wert, durch den die Gabe soziale
Beziehungen konstruiert und in der Gesellschaft sichtbar macht — dies auch in einem
hierarchischen Sinne. Die antike Welt wurde darüber hinaus häufig in der modernen
Literatur als Ort „antiker“, „vorkapitalistischer“ Tauschformen benutzt; der Begriff
der „embeddedness“ der antiken Wirtschaft wurde so thematisiert, nicht nur als Ver-
flechtung des Ökonomischen mit dem Sozialen und dem Politischen, sondern auch
als Verflechtung der verschiedenen Tauschformen, ihrer Motive, ihrer Konsequenzen
und ihrer sozialen und moralischen Werte. Durch dieses Modell konnte die Tagung
demonstrieren, dass keine „Great transformation“ vonnöten ist, aber auch, dass die
Gabe keine stets identische Konstante ist — was sich historisch wandelt, ist das
Gleichgewicht in diesen Formen der Verflechtung: wie die Gabe in Bezug auf die
anderen Tauschformen verstanden und konstruiert wird, was damit vermittelt wird
usw. Die Gabe muss deshalb — und dies wurde durch die Tagung deutlich — in ihrem
historischen, sozialen, kulturellen (auch religiösen) und wirtschaftlichen Kontext
analysiert werden, ohne dabei zu ignorieren, dass die Gabe bis zu sechs verschiede-
ne Akteure voraussetzen kann: den Geber, den Empfänger, den Vermittler, die Gott-
heit, das Publikum und das Objekt. Eine weitere Feststellung der Tagung war eben-
falls, dass die Rolle des Objektes nicht vernachlässigt werden darf: auch das Objekt
ist ein Akteur, der soziale Beziehungen konstruieren und verstärken kann; die Wahl
des Objektes spielt eine bedeutende Rolle, und das Objekt in se bekommt einen
Wert, der ihn von anderen gleichen Gegenständen aussondert und es somit häufig
zu einer „inalienable possession“ macht. Die Antike liefert deshalb dieser wissen-
schaftlichen Debatte nicht nur wichtige Fallstudien, sondern auch die Möglichkeit,
vorkapitalistische Gesellschaften zu untersuchen. Somit kann besser identifiziert
werden, wie die politischen, sozialen und kulturellen Entwicklung (z.B. durch die
Christianisierung) die Gabe und ihre Formen beeinflusst und geändert haben.