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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2020
DOI Kapitel:
I. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Meyer-Lindenberg, Andreas: Natur und Gehirn – neue Daten zu einem alten Konzept: Sitzung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 24. Januar 2020
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0014
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I. Wissenschaftliche Vorträge

lassen sich auf UGS übertragen13, wie Querschnittsstudien zeigen, die eine dosi-
sabhängige Beziehung zwischen der selbst wahrgenommenen Gesundheit und der
Menge an Vegetation in dem Gebiet, in dem Stadtbewohner leben, aufzeigen14' 5.
Stadtbewohner bevorzugen und suchen nach Naturräumen und Ausblicken und
sind bereit, erheblich mehr für Wohnungen zu bezahlen, die diese bieten16. Dar-
über hinaus haben selbst kleine Mengen an visuellen Grünflächenstimulationen,
wie zum Beispiel Poster, Fensterausblicke oder Zimmerpflanzen, positive Effek-
te17' 18, was die Aussicht auf eine Verbreitung von UGS erhöht. Die zunehmende
Verdichtung der Städte, vor allem in Entwicklungsländern, angetrieben durch die
Landflucht und die Notwendigkeit, auf den Klimawandel zu reagieren, erschwe-
ren jedoch den Zugang zur Natur in der städtischen Umgebung immer mehr.
Daher wird die Frage, wie UGS das psychische Wohlbefinden verbessert und wie
eine optimale Nutzung und ein gerechter Zugang zu dieser wertvollen Ressource
sichergestellt werden kann, immer wichtiger.
Zwei führende Theorien werden herangezogen, um diese positiven Auswir-
kungen der Natur zu erklären19. Die Theorie der Wiederherstellung der Aufmerk-
samkeit (Attention Restoration Theory, ART) konzentriert sich auf die Kognition
und geht davon aus, dass die Natur die begrenzten Aufmerksamkeitsressourcen, die
in der städtischen Umgebung erschöpft sind, wieder auffüllt, indem sie eine ein-
dringliche Stimulation bietet, die die Aufmerksamkeit fesselt („sanfte Faszination“)
und das Gefühl vermittelt, „weg zu sein“20. Umgekehrt geht die Stress-Rückgewin-
nungstheorie (SRT) davon aus, dass die Exposition gegenüber der Natur schnell
und unbewusst Anspannung und negative Emotionen direkt über angeborene Bah-
nen reduziert21 und argumentiert, dass solche Lebensräume im Laufe der Evolution
Sicherheit vor Raubtieren und die Verfügbarkeit von Nahrung signalisiert hätten.
Dies greift also wiederum auf die Biophilie-Hypothese zurück. Stressreduzierende,


Abbildung 1: Ein neuronaler Risiko-
kreislauf für das Stadtrisiko2

präkognitive und aufmerksamkeitswiederherstel-
lende Effekte der Natur wurden in der Tat viel-
fach19, wenn auch nicht immer22, experimentell
bestätigt. Während die sensorische Verarbeitung
von UGS, sowie natürliche vs. urbane Stimuli,
nicht abschließend definiert wurden, fanden meh-
rere Studien23 eine reduzierte präfrontale Kortex-
aktivität, erhöhte frontale langsame Hirnaktivität,
die auf Entspannung nach dem Eintauchen in
die Natur hindeutet, in Übereinstimmung mit
den Ergebnissen mobiler Sensoren24. Wir fan-
den abnormale funktionelle Reaktionen auf so-
zialen Stress im perigenualen zingulären Kortex
(pgACC) bei Stadtgeborenen sowie eine hyper-
aktive Amygdala-Reaktion bei aktuellen Stadtbe-

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