Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020
— 2021
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0035
DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2020
DOI Kapitel:I. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:Maienborn, Claudia: Von katholischen Kirchenoberhäuptern, ambulanten Versorgungsaufträgen und vierstöckigen Hausbesitzern: Auflösung eines grammatischen Trugbildes: Gesamtsitzung am 18. Juli 2020
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0035
- Schmutztitel
- Titelblatt
- 5-9 Inhaltsverzeichnis
- 11-12 Schneidmüller, Bernd: Geleitwort
- 13-79 A. Das akademische Jahr 2020
- 81-160 B. Die Mitglieder
-
161-279
C. Die Forschungsvorhaben
- 161-162 I. Forschungsvorhaben und Arbeitsstellenleiter
-
163-265
II. Tätigkeitsberichte
- 163-167 1. Deutsche Inschriften des Mittelalters
- 167-173 2. Wörterbuch der altgaskognischen Urkundensprache/ Dictionnaire de l’ancien gascon (DAG)/Dictionnaire électronique d’ancien gascon (DAGél)
- 173-178 3. Deutsches Rechtswörterbuch
- 178-181 4. Goethe-Wörterbuch (Tübingen)
- 182-184 5. Melanchthon-Briefwechsel
- 184-189 6. Dictionnaire étymologique de l’ancien français (DEAF)/ Altfranzösisches etymologisches Wörterbuch
- 190-194 7. Epigraphische Datenbank Heidelberg (EDH)
- 194-198 8. Edition literarischer Keilschrifttexte aus Assur
- 199-203 9. Buddhistische Steininschriften in Nordchina
- 203-208 10. Geschichte der südwestdeutschen Hofmusik im 18. Jahrhundert (Schwetzingen)
- 208-220 11. The Role of Culture in Early Expansions of Humans (Frankfurt und Tübingen)
- 220-227 12. Nietzsche-Kommentar (Freiburg i. Br.)
- 227-233 13. Klöster im Hochmittelalter: Innovationslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle
- 234-238 14. Der Tempel als Kanon der religiösen Literatur Ägyptens (Tübingen)
- 239-244 15. Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Freiburg i. Br.)
- 244-247 16. Karl-Jaspers-Gesamtausgabe (KJG)
- 247-253 17. Historisch-philologischer Kommentar zur Chronik des Johannes Malalas (Tübingen)
- 254-258 18. Religions‑ und rechtsgeschichtliche Quellen des vormodernen Nepal
- 259-265 19. Theologenbriefwechsel im Südwesten des Reichs in der Frühen Neuzeit (1550−1620)
-
266-279
III. Drittmittel-geförderte Projekte
- 266-272 20. Nepal Heritage Documentation Project
- 272-274 21. EUCANCan: a federated network of aligned and interoperable infrastructures for the homogeneous analysis, management and sharing of genomic oncology data for Personalized Medicine
- 274-275 22. Künstliche Intelligenz und Haftungsrecht
- 276-277 23. Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und das Deutsche Humangenom-Phenomarchiv (GHGA)
- 277-279 24. Europäische Gesundheitsdatenverarbeitung
-
281-322
D. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
- 281-291 I. Die Preisträger
-
292-314
II. Das WIN-Kolleg
- 292 Aufgaben und Ziele
- 293 Verzeichnis der WIN-Kollegiaten des 7. Teilprogramm
-
294-314
Siebter Forschungsschwerpunkt „Wie entscheiden Kollektive?“
- 294-296 1. Heiligenleben: Erzählte Heiligkeit zwischen Individualentscheidung und kollektiver Anerkennung
- 296-299 Tagung „Entscheidung zur Heiligkeit? Autonomie und Providenz im legendarischen Erzählen vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (23. bis 25. September 2020)
- 299-303 2. How does group composition influence collective sensing and decision making?
- 304-307 3. Fake News and Collective Decision Making. Rapid Automated Assessment of Media Bias
- 307-310 4. Heterogeneity and Convergence in Shared Data Sources – The Importance of Cognitive Coherence in Collective Decision Making
- 311-314 5. Ein transdisziplinäres Modell zur Struktur- und Musterbildung kollektiven Entscheidens: Synergieeffekte zwischen linguistischen, biologischen und physikalischen Ansätzen
- 315-319 III. Das Akademie-Kolleg
-
320-322
IV. Akademiekonferenzen
- 323-367 E. Anhang
- 359-367 Personenregister
Claudia Maienborn
Demnach liegt eine widersprüchliche Strukturzuordnung zwischen Morphologie
und Syntax auf der einen Seite und Semantik auf der anderen vor. Das ist die
Klammerparadoxie. Und das ist ein Skandal! Denn wenn Syntax und Semantik
solcherart aus dem Takt geraten, steht eine der Grundeinsichten zur Natur von
Sprache auf dem Spiel, dass nämlich die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks
sich aus der Bedeutung seiner Teile ergibt, nach Maßgabe ihrer strukturellen Ver-
bindung. Dieses mit Frege (1892) verbundene Kompositionalitätsprinzip nimmt
eine grundsätzliche Parallelität von morphosyntaktischem und semantischem
Strukturaufbau an, an deren Kern keine um formale Präzision bemühte semanti-
sche Theorie je rühren wird.
(2) Kompositionalitätsprinzip
Die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks ergibt sich aus der Bedeutung sei-
ner Teile nach Maßgabe ihrer morphosyntaktischen Kombination.
An dem simplen Beispiel in (3) will ich die Wirksamkeit des Kompositionalitäts-
prinzips illustrieren.
(3) a. Bienenhonig
b. Honigbienen
Wir haben in (3a) und (3b) die gleichen Bestandteile: Honig und Bienen; und es
ist allein die morphologische Struktur, die festlegt, wie wir das jeweilige Kom-
positum interpretieren. Es gibt dabei keinerlei Verhandlungsspielraum. Schauen
wir uns den Fall in (3a) genauer an: Das Kompositum besteht aus den beiden
Nomen Biene(n) und Honig, die ihre jeweilige Bedeutung einbringen. Die Mor-
phologie weist den rechten Bestandteil (N2) als den Kopf des Kompositums aus,
den linken (N0 als Nicht-Kopf. Und es ist der Kopf N2, der die wesentlichen
Eigenschaften des Kompositums bestimmt: Bienenhonig bezeichnet Honig, und
zwar von Bienen gemachter Honig. Wenn nun ein Adjektiv wie flüssig dazu-
kommt, dann bezieht es sich auf das Kompositum als Ganzes; s. (4). Das Adjek-
tiv kann nicht in das Kompositum „hineinschauen“. Es hat keinen Zugang zum
Nicht-Kopf Ni.
35
Demnach liegt eine widersprüchliche Strukturzuordnung zwischen Morphologie
und Syntax auf der einen Seite und Semantik auf der anderen vor. Das ist die
Klammerparadoxie. Und das ist ein Skandal! Denn wenn Syntax und Semantik
solcherart aus dem Takt geraten, steht eine der Grundeinsichten zur Natur von
Sprache auf dem Spiel, dass nämlich die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks
sich aus der Bedeutung seiner Teile ergibt, nach Maßgabe ihrer strukturellen Ver-
bindung. Dieses mit Frege (1892) verbundene Kompositionalitätsprinzip nimmt
eine grundsätzliche Parallelität von morphosyntaktischem und semantischem
Strukturaufbau an, an deren Kern keine um formale Präzision bemühte semanti-
sche Theorie je rühren wird.
(2) Kompositionalitätsprinzip
Die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks ergibt sich aus der Bedeutung sei-
ner Teile nach Maßgabe ihrer morphosyntaktischen Kombination.
An dem simplen Beispiel in (3) will ich die Wirksamkeit des Kompositionalitäts-
prinzips illustrieren.
(3) a. Bienenhonig
b. Honigbienen
Wir haben in (3a) und (3b) die gleichen Bestandteile: Honig und Bienen; und es
ist allein die morphologische Struktur, die festlegt, wie wir das jeweilige Kom-
positum interpretieren. Es gibt dabei keinerlei Verhandlungsspielraum. Schauen
wir uns den Fall in (3a) genauer an: Das Kompositum besteht aus den beiden
Nomen Biene(n) und Honig, die ihre jeweilige Bedeutung einbringen. Die Mor-
phologie weist den rechten Bestandteil (N2) als den Kopf des Kompositums aus,
den linken (N0 als Nicht-Kopf. Und es ist der Kopf N2, der die wesentlichen
Eigenschaften des Kompositums bestimmt: Bienenhonig bezeichnet Honig, und
zwar von Bienen gemachter Honig. Wenn nun ein Adjektiv wie flüssig dazu-
kommt, dann bezieht es sich auf das Kompositum als Ganzes; s. (4). Das Adjek-
tiv kann nicht in das Kompositum „hineinschauen“. Es hat keinen Zugang zum
Nicht-Kopf Ni.
35