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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2020
DOI Kapitel:
I. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Schmalian, Jörg: Hydrodynamische Elektronik: Gesamtsitzung am 24. Oktober 2020
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0053
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Jörg Schmalian

Eng verwandt mit diesem Resul-
tat ist die Beobachtung eines viskosen
Elektronenflusses in einer Geometrie
mit Verengungen [6]. Bei solchen Ex-
perimenten ist die Probengröße typi-
scherweise kleiner als die mittlere freie


Abb. 4: Numerische Simulation von superbalisti-
schem Fluss in einer Verengung mit Störstellen. Am
Rand bzw. in der Nähe der Störstellen ist die Ge-

Weglänge des Materials, so dass sich La-
dungsträger ballistisch bewegen. Ent-

schwindigkeit sehr klein (blau) wohingegen der Fluss
in anderen Gebieten schneller als ballistisch ist (rot).

sprechend ist das System besonders leitfähig. Dann ergibt sich eine Obergrenze
für den zulässigen Wert der Leitfähigkeit [15], Bemerkenswerterweise zeigt die
viskose Strömung super-ballistische Leitfähigkeit. Die ballistische Grenze wurde
deutlich überschritten. Dieses Ergebnis wird dem kooperativen Verhalten der vis-
kosen Elektronenflüssigkeit zugeschrieben. Dabei organisiert sich die Flüssigkeit
in Strömen unterschiedlicher Geschwindigkeit selbst. In der Nähe von Kanten

und Fehlstellen der Einschnürung verlangsamt sich die Strömung, wohingegen
die Mehrheit der Ladungsträger wesentlich schneller innerhalb der Einschnürung
strömt. Abb. 4 zeigt eine numerische Simulation dieses Verhaltens.
Eine weitere spektakuläre Manifestation des hydrodynamischen Verhaltens in
Graphen ist die erhöhte Wärmeleitfähigkeit k, ohne dass es dabei zu einer analo-
gen Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit er kommt [4]. In Fermi-Flüssigkei-
ten gilt für tiefe Temperaturen, dass das als Lorenz-Zahl bezeichnete Verhältnis
L = k/ (cjT) den universellen Wert Lo = (tt2/ 3)(fes/ e)2 einnimmt. Neben ei-
ner universellen Zahl gehen hier nur die Boltzmann’sche Konstante kB sowie die
Elektronenladung e ein. In undotierten Graphen wurde ein starker Anstieg der
Lorentz-Zahl bis zum L ® 2OLo gemessen [4].
Kollektive Phänomene in Festkörpern. Obwohl die meisten praktisch
nützlichen elektronischen Geräte mit Hilfe der Einteilchen-Theorie verstanden

werden können, haben Physiker das kollektive Verhalten von Quantenteilchen
seit längerer Zeit untersucht. Die Leitungselektronen in Festkörpern (sowie alle
anderen Teilchen, die der Fermi’schen Quantenstatistik gehorchen) beschreibt
man am häufigsten im Rahmen der Theorie der Fermi-Flüssigkeiten. Das wohl
bekannteste Beispiel für die Fermi-Flüssigkeit, das flüssiges 3He, kann exzellent
mittels hydrodynamischer Konzepte verstanden werden [16]. Warum verhalten
sich dann die Leitungselektronen in Metallen fast nie hydrodynamisch? Im Ge-
gensatz zum flüssigen Helium existieren die Elektronen in Festkörpern in einer
durch das Kristallgitter gebildeten Umgebung. Sie streuen nicht nur an ande-
ren Elektronen, sondern auch an thermisch angeregten Gitterschwingungen,
den Phononen, sowie an Gitterfehlern und Verunreinigungen. Dies modifiziert
insbesondere die für die Hydrodynamik so wichtige Impulserhaltung des Elek-
tronensystems. Als Ergebnis werden die Transporteigenschaften eines typischen
Festkörpers bei tiefen Temperaturen durch die elastische Streuung an Verun-

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