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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Primavesi, Oliver: Albrecht Dihle: (28. 3. 1923 − 29. 1. 2020)
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B. Die Mitglieder

anderntags wurde sein Vater durch Hitlers evangelischen Reichsbischof Ludwig
Müller für abgesetzt erklärt.9 10 Diese frühe traumatische Erfahrung hat Albrecht
Dihle gegen die nationalsozialistische Ideologie der „Volksgemeinschaft“ dauerhaft
immunisiert. Nach dem nächtlichen, angeblich spontanen, in Wahrheit von der SA
inszenierten Gewaltausbruch fühlte sich die Familie in Arolsen nicht mehr sicher,
fand für ein halbes Jahr Aufnahme im Hause von Albrecht Dihles Onkel und Pa-
tenonkel v. d. Groeben in Hermannsburg/Kreis Celle und siedelte im August 1934
nach Göttingen um.11’
Dort trat Albrecht Dihle nach den Sommerferien in die Quarta des staatlichen
humanistischen Gymnasiums ein. Die nächste bittere Erfahrung mit dem Drit-
ten Reich ließ nicht lange auf sich warten: 1937 musste er von einem jüdischen
Freund, mit dem er sich dieselbe Schulbank teilte, auf unbestimmte Zeit Abschied
nehmen, da dessen Familie wegen der nationalsozialistischen Judenverfolgung
nach England emigrierte.11 Konfirmiert wurde Dihle von Pastor AdolfWischmann,
der als Mitglied der Bekennenden Kirche seine von den „Deutschen Christen“
übernommene reguläre Gemeinde verloren hatte und deshalb in Göttingen als
Studentenpfarrer tätig war.12 Am 1. März 1940 bestand Dihle kurz vor seinem sieb-
zehnten Geburtstag die mündliche Abiturprüfung, aus der er von dem wohlwol-
lenden Direktor der Anstalt, dem Philologen Walther John, mit dem Rat entlassen
wurde, seine Beschäftigung mit der antiken Philosophie möglichst bald auch auf
die Stoa auszudehnen.13 Die Zeiten waren nicht danach: Den Sommer verbrachte
die Familie noch in Hermannsburg, wo Dihles Patenonkel v. d. Groeben inzwi-
schen (1937) das alte v. Redensche Gutshaus übernommen hatte,14 und wo Dihle
in der Landwirtschaft mitarbeitete;15 doch im Oktober und November 1940 hatte
er den kriegsbedingt auf zwei Monate verkürzten Reichsarbeitsdienst abzuleisten
und wurde im Dezember desselben Jahres Soldat.16 Er musste als Kanonier bzw.
Oberkanonier den im Juni 1941 unter dem hochtrabenden Titel „Unternehmen
Barbarossa“ vom Zaun gebrochenen russischen Feldzug mitmachen, verlor aber
bereits im Oktober 1941 durch eine schwere Verwundung seinen linken Arm, was
neben der Verleihung des Verwundetenabzeichens in Silber (30.10.1941) und des
Eisernen Kreuzes zweiter Klasse (7.2.1942) auch das Ende seines Kriegsdienstes
zur Folge hatte.

9 Dihle, Ms.l, 3—4; vgl. Steiner 1990, 291 mit Anm. 228.
10 Dihle, Ms. 1, 4.
11 Dihle 1994a, 5.
12 Dihle, Ms. 1, 4.
13 Dihle 1986, 175 (= 146).
14 Dihle, Ms. 1, 7.
15 Dihle, Ms. 1, 5.
16 Dihle, Ms.l, 5. Die im Folgenden gemachten Angaben über Dihles Kriegsdienst und Ver-
wundung hat uns sein Neffe Dr. Gereon Becht-Jördens aus dem in seinem Besitz befindli-
chen Wehrmachts-Soldbuch Dihles mitgeteilt.

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