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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Helmchen, Günter: Rolf Huisgen: (13. 6. 1920 − 26. 3. 2020)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0127
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Nachruf auf Rolf Huisgen

reits während der Doktorarbeit mit eigenständigen Untersnchungen beginnen,
durch die er sich im Wesentlichen autodidaktisch das Gebiet der physikalisch-or-
ganischen Chemie erschloss, dem er auch später treu blieb. Nach Lois P Hammett
(1940) ist das ein Gebiet, in dem organische Verbindungen und ihre Reaktionen
(Reaktionsmechanismen) mittels der Methoden der experimentellen physikali-
schen Chemie studiert werden. Huisgen brachte es zur Meisterschaft besonders
im Bereich der Kinetik chemischer Reaktionen. Hier konnten interessante Ein-
sichten für verschiedene Reaktionen gewonnen werden, die 1947 zur Habilitation
führten.
In die Habilitationszeit fällt auch der Aufbau einer Familie. So erfolgte 1945
die Hochzeit mit Trudl Schneiderhan, einer promovierten Chemikerin, und die
Geburt der Töchter Birge (1946) und Helga (1949).
Bereits 1949 kam der erste Ruf, auf ein Extraordinariat an der Universität
Tübingen. Der Ordinarius Georg Wittig (Nobelpreis 1979) war ein Meister in der
Etablierung neuartiger Reaktionen, so der 1944 entdeckten Wittig-Reaktion, die
breit einsetzbar ist und industrielle Anwendung u. a. für die Synthese von Vitamin
A gefunden hat. Tübingen hatte den Krieg unbeschadet überstanden, und das In-
stitut konnte die zahlreich hereinströmenden Studierenden, vor allem ehemalige
Soldaten, aufnehmen. Anders stand es um die Zahl junger Dozenten, die infolge
der Kriegsverluste klein war.
Trotz seiner Jugend und einer entsprechend geringen Zahl an Publikationen
erhielt Huisgen 1951 in rascher Folge Rufe auf bedeutende Lehrstühle, zuerst
an die Universität Marburg (Nachfolge Hans Meerwein), dann nach Erlangen
(Nachfolge Rudolf Pummerer) und schließlich auf den Lehrstuhl seines Doktor-
vaters an der LMU München. Letzterer wurde angenommen, wahrscheinlich mit
einigem Bangen angesichts der Vorgänger Justus von Liebig sowie der Nobelpreis-
träger Adolf von Baeyer (1905), Richard Willstätter (1915) und Heinrich Wieland
(1927).
1952 erfolgte der Umzug nach München, wo zunächst Räume im Zoologi-
schen Institut bezogen wurden. Im gleichen Jahr wurde der Neubau des Instituts
begonnen. Bereits 1956 konnten brandneue Laboratorien, an der Karlsstraße in der
Nähe des Hauptbahnhofs gelegen, bezogen werden; eigene Hörsäle wurden vier
Jahre später fertig gestellt.
Wie für so viele Bereiche waren die 1960er Jahre eine goldene Zeit für die
organische Chemie. Durch neue physikalische Methoden, vor allem die Kernre-
sonanz-Spektroskopie, ließen sich insbesondere Strukturbestimmungen sehr viel
rascher als mittels Elementaranalyse und rein chemischer Abbauverfahren, wie
sie noch während Huisgens Doktorarbeit üblich waren, durchführen. Zusätzlich
wurden schnelle Molekülumwandlungen routinemäßig erforschbar. Fortschritte
in der theoretischen Chemie, insbesondere die Molekülorbitalmethode, erlaubten
ein neues Verständnis des Ablaufs chemischer Reaktionen.
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