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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Appenzeller, Immo: Reimar Lüst: (25. 3. 1923 − 31. 3. 2020)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0131
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Nachruf auf Reimar Lust

aufgegeben werden musste. Lüst gehörte zu den letzten, die das sinkende Boot
verlassen konnten. Die meisten der überlebenden Besatzungsmitglieder, darunter
Lüst, konnten von zwei englischen Korvetten gerettet werden. Lüst bezeichnete
das Datum dieses dramatischen Ereignisses (11. Mai 1943) später als seinen zwei-
ten Geburtstag.
Die folgenden drei Jahre verbrachte Reimar Lüst hauptsächlich in einem Ge-
fangenenlager nahe der amerikanischen Kleinstadt Mexia, südlich von Dallas in
Texas. Ältere Lagerinsassen, die vor ihrem Kriegsdienst an deutschen Universitä-
ten gearbeitet hatten, organisierten hier eine „Lageruniversität“, in der gefangene
junge Offiziere, deren zivile Ausbildung durch den Wehrdienst und die Gefan-
genschaft unterbrochen worden war, verschiedene Fächer studieren konnten. Lüst
nutzte diese Möglichkeit und belegte Kurse in Mathematik und Physik. Nach sei-
ner Entlassung 1946 begann Lüst ein reguläres Physikstudium an der Universität
Frankfurt. Dank der Vorkenntnisse, die er in Mexia erworben hatte, konnte er
dieses Studium bereits 1949 abschließen und an der Universität Göttingen eine
Dissertation über ein astrophysikalisches Thema beginnen. Betreut wurde seine
Arbeit durch Carl Friedrich von Weizsäcker vom Max-Planck-Institut für Phy-
sik (MPP). Nach der Promotion 1951 arbeitete Lüst zunächst als wissenschaft-
licher Angestellter weiter an diesem Institut, unterbrochen von Aufenthalten
als Fulbright-Stipendiat in Chicago und Princeton und (1959) als Gastprofessor
für Mathematik in New York. Die Einladung nach New York verdankte er einer
grundlegenden Veröffentlichung über magneto-hydrodynamische Stoßwellen,
mit der er sich eine breite internationale Anerkennung erworben hatte. 1960 wur-
de Lüst zum Wissenschaftlichen Mitglied des MPP ernannt, das inzwischen als
„Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik“ von Göttingen nach München
umgezogen war. Im gleichen Jahr habilitierte Lüst sich für das Fach Physik an der
LMU München. 1961 arbeitete er als Gastprofessor an den amerikanischen Uni-
versitäten MIT und Caltech, die beide versuchten, Lüst als Full Professor für ihre
Fakultäten zu gewinnen.
In München war Lüsts Hauptarbeitsgebiet die Anwendung der Plasmaphy-
sik auf astrophysikalische Probleme. Daneben beschäftigte er sich mit Fragen der
Kernfusion in eingeschlossenen Plasmen. Mit seinem Institutskollegen Ludwig
Biermann, der den Sonnenwind entdeckt hatte, erforschte er anhand des Verhal-
tes von Kometenschweifen die physikalischen Bedingungen im interplanetaren
Raum. Ausreichend helle Kometenschweife sind aber selten. Lüst war jedoch auch
einer der ersten, der das Potential von Weltraumsonden für die Astrophysik erkannt
hatte. Er verband die beiden Zielrichtungen seiner Arbeit in einer Publikation,
die er zusammen mit seiner Frau Rhea Lüst, Ludwig Biermann und Hans-Ulrich
Schmidt 1961 veröffentlichte. Darin wurde gezeigt, dass man schon mit den da-
mals verfügbaren Raketen durch das Einbringen von lonenwolken in den interpla-
netaren Raum künstliche Kometenschweife erzeugen konnte. Dass das tatsächlich

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