B. Die Mitglieder
Materie anspruchsvollen Buches gehört der Schluss des Vorworts: „Der Leser, den
ich mir wünsche, ist einer, der intellektuell so neugierig ist wie Haydn selbst und
der sich auf das geistige Abenteuer freut, das Haydns Musik immer wieder sein
kann.“ Einen Leser mithin, dessen Ähnlichkeit mit dem Autor nicht von der Hand
zu weisen wäre.
Ein Jahr nach der Habilitation wurde Ludwig Finscher auf den Lehrstuhl für
Musikwissenschaft an die Universität Frankfurt berufen. In der hohen Zeit der
Studentenunruhen bedeutete dieser Ruf eine besondere Herausforderung, zu-
mal in der Fakultät über die Ausrichtung dieser Stelle durchaus unterschiedliche
Ansichten bestanden. Es gelang Finscher jedoch, den disparaten Erwartungen mit
seiner deutlich sachbezogenen Lehre gerecht zu werden. An seinem Seminar über
Arnold Schönberg 1969 nahm sogar Theodor W. Adorno regelmäßig teil. Dabei
blieben das 15./16. Jahrhundert und die Musik der Wiener Klassik weiterhin die
Säulen seiner Forschung und die Gattungsgeschichte das Rüstzeug seines Er-
kenntnisinteresses. In dem von ihm besorgten dritten Band des von Carl Dahl-
haus herausgegebenen Neuen Handbuchs der Musikwissenschaft über Die Musik des
15. und 16. Jahrhunderts finden sich zwei Kapitel, die exemplarisch zeigen, wie das
Konzept der Gattungsgeschichte selbst auf Zeiten angewandt werden konnte, in
denen sie bis dato kaum eine Rolle gespielt hatte. Das Kapitel über „Die Messe als
musikalisches Kunstwerk“, in dem er beschrieb, wie aus liturgischen Handlungen
mit Musik eine musikalische Gattung mit hohem Kunstanspruch wurde, gehört
zu den konzisesten Darstellungen der Messe in dem genannten Zeitraum. Und
in dem Kapitel über die volkssprachlichen Gattungen, schon vom Umfang her
ein Buch im Buch, gelang es ihm, so disparate musikalische Formen wie die ita-
lienische Frottola, das deutsche Tenorlied und die französische Chanson in einer
großen Rahmenerzählung zusammenzubringen.
Als Die Musik des 15. und 16. Jahrhunderts 1990 erschien, wirkte Ludwig Fin-
scher bereits lange Jahre in Heidelberg. 1981 folgte er Reinhold Hammerstein auf
dem Lehrstuhl für Musikwissenschaft der Heidelberger Universität. Bis zu seiner
Emeritierung 1995 hatte er diese Position inne, und er füllte das Haus nicht nur
mit zahlreichen Schülern, die bis heute wichtige Positionen in der Musikwissen-
schaft bekleiden, sondern auch mit zwei großen Forschungsprojekten der Heidel-
berger Akademie, die noch einmal auf seine beiden Lebensthemen verwiesen: Von
1989 bis 2001 beherbergte das Musikwissenschaftliche Seminar ein Projekt zur
Cappella Sistina, von 1991 bis 2006 ein weiteres über die Mannheimer Hofkapelle,
das er 2003 an seine Nachfolgerin auf dem Lehrstuhl übergab.
Er sei „kein Mann der dicken Bücher geworden“, hat Ludwig Finscher bei
seiner Vorstellung als Balzan-Preisträger am 24. November 2006 unter dem Titel
Eine Synthese meiner Forschung erklärt. Gleichwohl sollte nicht übersehen werden,
dass er dem wohl dicksten Buch der deutschsprachigen Musikwissenschaft seinen
wissenschaftlichen Stempel aufgedrückt hat. Als sich der Bärenreiter-Verlag Ende
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Materie anspruchsvollen Buches gehört der Schluss des Vorworts: „Der Leser, den
ich mir wünsche, ist einer, der intellektuell so neugierig ist wie Haydn selbst und
der sich auf das geistige Abenteuer freut, das Haydns Musik immer wieder sein
kann.“ Einen Leser mithin, dessen Ähnlichkeit mit dem Autor nicht von der Hand
zu weisen wäre.
Ein Jahr nach der Habilitation wurde Ludwig Finscher auf den Lehrstuhl für
Musikwissenschaft an die Universität Frankfurt berufen. In der hohen Zeit der
Studentenunruhen bedeutete dieser Ruf eine besondere Herausforderung, zu-
mal in der Fakultät über die Ausrichtung dieser Stelle durchaus unterschiedliche
Ansichten bestanden. Es gelang Finscher jedoch, den disparaten Erwartungen mit
seiner deutlich sachbezogenen Lehre gerecht zu werden. An seinem Seminar über
Arnold Schönberg 1969 nahm sogar Theodor W. Adorno regelmäßig teil. Dabei
blieben das 15./16. Jahrhundert und die Musik der Wiener Klassik weiterhin die
Säulen seiner Forschung und die Gattungsgeschichte das Rüstzeug seines Er-
kenntnisinteresses. In dem von ihm besorgten dritten Band des von Carl Dahl-
haus herausgegebenen Neuen Handbuchs der Musikwissenschaft über Die Musik des
15. und 16. Jahrhunderts finden sich zwei Kapitel, die exemplarisch zeigen, wie das
Konzept der Gattungsgeschichte selbst auf Zeiten angewandt werden konnte, in
denen sie bis dato kaum eine Rolle gespielt hatte. Das Kapitel über „Die Messe als
musikalisches Kunstwerk“, in dem er beschrieb, wie aus liturgischen Handlungen
mit Musik eine musikalische Gattung mit hohem Kunstanspruch wurde, gehört
zu den konzisesten Darstellungen der Messe in dem genannten Zeitraum. Und
in dem Kapitel über die volkssprachlichen Gattungen, schon vom Umfang her
ein Buch im Buch, gelang es ihm, so disparate musikalische Formen wie die ita-
lienische Frottola, das deutsche Tenorlied und die französische Chanson in einer
großen Rahmenerzählung zusammenzubringen.
Als Die Musik des 15. und 16. Jahrhunderts 1990 erschien, wirkte Ludwig Fin-
scher bereits lange Jahre in Heidelberg. 1981 folgte er Reinhold Hammerstein auf
dem Lehrstuhl für Musikwissenschaft der Heidelberger Universität. Bis zu seiner
Emeritierung 1995 hatte er diese Position inne, und er füllte das Haus nicht nur
mit zahlreichen Schülern, die bis heute wichtige Positionen in der Musikwissen-
schaft bekleiden, sondern auch mit zwei großen Forschungsprojekten der Heidel-
berger Akademie, die noch einmal auf seine beiden Lebensthemen verwiesen: Von
1989 bis 2001 beherbergte das Musikwissenschaftliche Seminar ein Projekt zur
Cappella Sistina, von 1991 bis 2006 ein weiteres über die Mannheimer Hofkapelle,
das er 2003 an seine Nachfolgerin auf dem Lehrstuhl übergab.
Er sei „kein Mann der dicken Bücher geworden“, hat Ludwig Finscher bei
seiner Vorstellung als Balzan-Preisträger am 24. November 2006 unter dem Titel
Eine Synthese meiner Forschung erklärt. Gleichwohl sollte nicht übersehen werden,
dass er dem wohl dicksten Buch der deutschsprachigen Musikwissenschaft seinen
wissenschaftlichen Stempel aufgedrückt hat. Als sich der Bärenreiter-Verlag Ende
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