DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549
Wievil meilen wegs aber müs man gehen im Papstumb, bis man einen Pfarrher1 finde,
der sein Bibel je mit fleis durchlesen habe und darzü nit auch in hürei und andern lä-
stern, die des reichs Christi gentzlich berauben41, öffentlich lige? Ja, wievil findet man
Pfarrer, vorab uff dem land, die ihr Bibel haben und die nit die odisten42 Spieler, hürer,
gotslesterer, seuffer und jauffbüben43 sind, als man sie in iren gemeinden finden mage? 5
Was solle man dann sagen von der Simony44, daz ist: dem grewlichen läster und erster
ketzerei? Das sie alle ire kirchendienst, ire Sacrament, ire begrebnus und alle gotliche
ämpter umbs gelt verkauffen, Auch ire pfarren durch fleischlichen gunst, dienst,
miedt45 und öffentliche Vergeltung46 überkommen? Ja, des haben die leut gar keine
schew mehr und schweren doch grewliche eid, das sie dises lasters frei seien. 10
Sihet man dann die lehre und die kirchenzucht an ihr selb an, so lehret und prediget
man bei uns das h. Evangelium von Christo, unserem herren, rein und trawlich. Man
lehret die juget den Cathechismum. Man bereitet die leut traulich zu den h. Sacramen-
ten, Reichet auch die und verrichtet alle kirchendienst mit ernst, mit fleissiger und
verstendtlicher erklerung aller geheimnussen Christi und vermanung, dieselbigen mit 15
warem glauben zu erkennen und anzünehmen. Und das nach dem befelch des Herren
und on miedt und gelt. Man laßt mit | [D 4 a ] | wissen keine, die in öffentlichen lästeren
ligen, zun sacramenten. Man haltet mit ernst gemeine gebet. In allen kirchen hat man
das opffer wider für die armen angerichtet.
Bei den Päpstlern aber prediget man wol vil von heiligen, von Messen, Vigilien, Ablas 20
und anderem thün der genanten priester handwerck und gedichten47, was aber von
Christo, unserem einigen heiland? Vom Catechismo, in dem man die juget solle den war
Christlichen glauben leren, wissen weder pfarrer noch ander leut etwas zu sagen. In der
beicht absolviert man jederman, auch die man schon weis, das die sich noch zu keiner
besserung mit der that wollen begeben. Die büs setzt man uff etlich Vatterunser und 25
rosenkrantz, vor den gotzen48 oder sonst zu betten, Zun gotzen wallen49, Messen
frümmen50 und dergleichen.
Zum Sacrament bereitet man die leut, wie sich ire priester selb zu iren Messen berei-
ten, Dazu sie auch lassen, die sie wissen in öffentlichen lästern ligen. Den bann üben sie
nur gegen die dem Papst nit gehorsamen oder die priester beleidigen, und schuld einzü- 30
ziehen51. Die Kirchengebet und -geseng übet man on verstandt und besserung des
f) Psarrher.
41. (Vom Reich Christi) ausschließen; urspr. entkleiden.
42. Eitelsten, leichtfertigsten, dümmsten. Lexer 2, Sp. i4of.
43. Possenreißer. Götze, S. 129.
44. Kauf von geistlichen Ämtern mit Geld (Apg 8,9 ff.).
45. Geldgeschenk (zur Bestechung). Götze, S. 160.
46. Abgeltung durch Bezahlung (in der Absicht zu bestechen, nicht zum Ausgleich). Lexer
Sp. 112.
47. Erfindungen, Phantastereien.
48. Heiligenbilder (Bildsäulen) Lexer 1, Sp. 1057.
49. Wallfahrten zu (wundertätigen) Heiligenbildern.
50. Messen stiften (Frühmessen gegen Geld lesen lassen). Lexer 3, Sp. 55H.; Schmidt, Sp. in,
Nr. 4.
51. Geldschulden eintreiben.
Wievil meilen wegs aber müs man gehen im Papstumb, bis man einen Pfarrher1 finde,
der sein Bibel je mit fleis durchlesen habe und darzü nit auch in hürei und andern lä-
stern, die des reichs Christi gentzlich berauben41, öffentlich lige? Ja, wievil findet man
Pfarrer, vorab uff dem land, die ihr Bibel haben und die nit die odisten42 Spieler, hürer,
gotslesterer, seuffer und jauffbüben43 sind, als man sie in iren gemeinden finden mage? 5
Was solle man dann sagen von der Simony44, daz ist: dem grewlichen läster und erster
ketzerei? Das sie alle ire kirchendienst, ire Sacrament, ire begrebnus und alle gotliche
ämpter umbs gelt verkauffen, Auch ire pfarren durch fleischlichen gunst, dienst,
miedt45 und öffentliche Vergeltung46 überkommen? Ja, des haben die leut gar keine
schew mehr und schweren doch grewliche eid, das sie dises lasters frei seien. 10
Sihet man dann die lehre und die kirchenzucht an ihr selb an, so lehret und prediget
man bei uns das h. Evangelium von Christo, unserem herren, rein und trawlich. Man
lehret die juget den Cathechismum. Man bereitet die leut traulich zu den h. Sacramen-
ten, Reichet auch die und verrichtet alle kirchendienst mit ernst, mit fleissiger und
verstendtlicher erklerung aller geheimnussen Christi und vermanung, dieselbigen mit 15
warem glauben zu erkennen und anzünehmen. Und das nach dem befelch des Herren
und on miedt und gelt. Man laßt mit | [D 4 a ] | wissen keine, die in öffentlichen lästeren
ligen, zun sacramenten. Man haltet mit ernst gemeine gebet. In allen kirchen hat man
das opffer wider für die armen angerichtet.
Bei den Päpstlern aber prediget man wol vil von heiligen, von Messen, Vigilien, Ablas 20
und anderem thün der genanten priester handwerck und gedichten47, was aber von
Christo, unserem einigen heiland? Vom Catechismo, in dem man die juget solle den war
Christlichen glauben leren, wissen weder pfarrer noch ander leut etwas zu sagen. In der
beicht absolviert man jederman, auch die man schon weis, das die sich noch zu keiner
besserung mit der that wollen begeben. Die büs setzt man uff etlich Vatterunser und 25
rosenkrantz, vor den gotzen48 oder sonst zu betten, Zun gotzen wallen49, Messen
frümmen50 und dergleichen.
Zum Sacrament bereitet man die leut, wie sich ire priester selb zu iren Messen berei-
ten, Dazu sie auch lassen, die sie wissen in öffentlichen lästern ligen. Den bann üben sie
nur gegen die dem Papst nit gehorsamen oder die priester beleidigen, und schuld einzü- 30
ziehen51. Die Kirchengebet und -geseng übet man on verstandt und besserung des
f) Psarrher.
41. (Vom Reich Christi) ausschließen; urspr. entkleiden.
42. Eitelsten, leichtfertigsten, dümmsten. Lexer 2, Sp. i4of.
43. Possenreißer. Götze, S. 129.
44. Kauf von geistlichen Ämtern mit Geld (Apg 8,9 ff.).
45. Geldgeschenk (zur Bestechung). Götze, S. 160.
46. Abgeltung durch Bezahlung (in der Absicht zu bestechen, nicht zum Ausgleich). Lexer
Sp. 112.
47. Erfindungen, Phantastereien.
48. Heiligenbilder (Bildsäulen) Lexer 1, Sp. 1057.
49. Wallfahrten zu (wundertätigen) Heiligenbildern.
50. Messen stiften (Frühmessen gegen Geld lesen lassen). Lexer 3, Sp. 55H.; Schmidt, Sp. in,
Nr. 4.
51. Geldschulden eintreiben.