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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0174
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

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dißem hauffen zun zeyten wol solche gefunden, die sich gleich güthe Christen züsein
duncken laßen vnnd die sach güth meinen, vnnd aber doch mitt den rechten heimlichen
sunden vnnd'lästern sollen behafft sein als mitt vnglauben, eigenem Wolgefallen76,
vertruwen der Creaturen77 vnnd der gleichen; welche, wann sie jnn der kirchen das
Nachtmai | [a 8 b] | haltten sehen, gond sie auß gewonheit auch hintzü, vermeinen, sie 5
sollen auch thun wie andere Christen, vnnd gedencken daneben nit an jhre verderpte
sundtliche natur. Nun ist aber das nachtmal von Christo vns dartzü gegeben, das er vns
dadurch helffen vnnd die sund vergeben will. Daruß ja gewiß volgen muß, das die, so
diß nachtmal empfahen wollen, zu vor jhre sund jnn jhrem hertzen vnnd gewißen
entpfinden vnnd erkennen mueßen. Darumb dann auch diße andern nicht wurdigklich, 10
wie sie wol soltthen, dis Sacrament nießen, dieweil kein rechtgeschaffene erkantnuß der
sund noch wahrer glaub by jhnnen ist. So werden fürs dritt vnder disen, so das Nacht-
mal entpfahenn, viel deren eingemengt sein78, die, ob sie wol jnn todtsunden ligen vnnd
die kirchen öffentlich mitt allerley läster Ergern, doch gleich wol nit als heiden vnd
vnchristen von andern angesehen sein wollen vnd derhalben auch zu des herren disch 15
gehen; gleich aber, wie sie zuuor jn den sunden gesteckt, dieselben nit erkant, kein rew
noch leid darüber gehapt, also faren sie auch darnoch jnn solchen für79. Seind sie vorhin
hürer, gotslesterer, Wucherer geweßen, so pleiben sie die selbigen noch, wirts echter80
nit bößer mit jhnen. Dise verderben nicht allein sich selber, sonder mit der Ergernus
auch vil andere leuth, die ein abscheuhen gewinnen ab81 dem nachtmal, wann sie solche 20
sew vnnd hund dartzü gehn sehen.
Was nun von dissen dreyerley leuwthen für große sund begangen werden, ist vnuß-
sprechlich, dann sie jhnen selbs nit das leben, sonder das gericht vnnd den tod nießen82.
Es ist auch disser mißbrauch des heyligen Sacraments vnns, den dienern der kirchen,
vnder andern großen beschwerden, so wir an vnserm kirchen dienst haben, der furnem- 25
sten einer. Denn solte das nicht vnser hertz vnd gewißen beschweeren, wenn wir vnder
der vßspendung des nachtmals also dencken mueßen: Sihe, dis Sacrament, das doch nur
ist ein speiß | b ia | der krancken, betriepten vnnd angefochtenen hertzen vnnd gewis-
senn, die selben zu erquicken, von deren wegen es auch furnemlich von Christo ist
eingesetzt, das wirt yetzt von dem großem teil mißbraucht, die da nicht eßen vnnd 30
drincken das leben, sonder jhnen selbs das gericht als vnwürdige; vnnd zu dem, wenn
wirs wißen vnds wehren köndtt hetten vnds nit thün, Gott der herr solcher leuth ver-
derben vnnd den mißbruch solcher seiner Sacrament von vnsern henden erfordern wirt
als die an jhnen schuldig; vnnd der heylig Chrisostomus83 schreibt, das nit allein die an
dem leib vnnd blut des herren schuldig seyen, die es vnwurdigklich nießen, sonder auch 35

76. Selbstgefälligkeit.
77. Vertrauen auf das Sichtbare; hier: Bauen auf die Institution des Sakraments und ihre Wir-
kung durch sich selbst.
78. Dazwischen sein.
79. Fahren fort.
80. Etwa. (Wenn es etwa nicht schlimm mit ihnen wird.)
81. Abscheu bekommen vor.
82. Genießen (essen); vgl. 1 Kor 11,29.
83. Vgl. Johannes Chrysostomos: In Matthaeum Homilia 17; MSG 56, Sp. 72yff.
 
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