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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0361
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y BRIEFMEMORANDUM

357

Dokument 3
Bucers Briefmemorandum an die Kurfürsten
von der Pfalz vnd von Brandenburg
(4. April 1548)
Am 30. März 1548 war Bucer auf das Drängen Kurfürst Joachims II. von Brandenburg
und mit Zustimmung des Kaisers in Augsburg eingetroffen und in der Herberge des
Brandenburgers abgestiegen1. Seltsamerweise wußten um diese Zeit weder die in Augs-
burg weilenden Gesandten der Stadt Jakob Sturm und Hans von Odratzheim2 noch der
Rat von Straßburg etwas von Bucers Anwesenheit in der Stadt. Man vermutete ihn noch
in Ulm, wohin er auf Weisung des Rates gereist war, um, falls erforderlich, den prote-
stantischen Ständen auf dem Reichstag als theologischer Berater zur Seite zu stehen. Der
Rat hatte damit eine Bitte des brandenburgischen Kurfürsten erfüllt. Inzwischen aber
waren sowohl ihm als auch seinen Gesandten in Augsburg Bedenken gekommen, Bucer
den beiden befreundeten Kurfürsten von Brandenburg und der Pfalz so ohne weiteres
»auszuliefern«. Beide zeigten sich den kaiserlichen Wünschen gegenüber auffallend
aufgeschlossen, und es erhielt sich hartnäckig das Gerücht, sie hätten der kaiserlichen
Vergleichsformel (Interim) bereits zugestimmt3. Eine »heimliche« Anwesenheit Bucers
in Augsburg hatte Jakob Sturm dem Kurfürsten von Brandenburg gegenüber strikt
abgelehnt, und der Rat hatte mehrmals erwogen, Bucer von den Zwischenstationen
seiner Reise Stuttgart und Ulm nach Straßburg zurückzurufen.
Aus welchen Gründen Bucer sich dazu entschloß, dennoch den kurfürstlichen Bitten
zu folgen und mit einem kaiserlichen Schutzbrief auf eigene Verantwortung nach Augs-
burg zu reisen, wissen wir nicht. Jedenfalls war er am 30. März in der Stadt erschienen,
und man hatte ihm sogleich den Text des Interims, die sogenannte »Märzformel«,
vorgelegt4, den die Kurfürsten vom Kaiser erhalten hatten. Nun wünschten sie, von
dem zu dieser Zeit maßgeblichen protestantischen Theologen ein Gutachten zu erhal-
ten, das die Unbedenklichkeit des kaiserlichen Ratschlags bestätigen sollte.
Um diese Aufgabe in aller Stille erfüllen zu können, erhielt Bucer von seinem Gastge-
ber mindestens für die ersten Tage Ausgangsverbot. Er hatte vor sich die deutsche
Übersetzung der Märzformel, die der brandenburgische Hofprediger Johannes Agri-
cola auf kaiserlichen Befehl zwischen dem 15. und 2.5. März angefertigt hatte5. Bucer
1. Vgl. den Bericht der gut informierten Nürnberger Gesandten an die Älteren der Stadt vom 4.
und 6. April (Pol. Cor. 4, S. 903 ff.). Der erste Bericht der Straßburger Gesandten über B.s Anwe-
senheit in Augsburg stammt vom 8. April (Pol. Cor. 4, S. 905ff.).
2. Handschriftenproben 1, 6; /. Hatt: Liste des Membres du Grand Senat etc. Strasbourg 1963.
p. 212 (1548).
3. Das entsprach den Tatsachen: Am 15. März bereits hatten die genannten Kurfürsten »den
Ratschlag bewilligt und unterschrieben« (so ARC 5, S. 241, Anm. 161).
4. Diese Textform war auf Grund der Vorlagen, der sogenannten »Dezemberformel« und des
anonymen Gegengutachtens vom Januar 1548, von dem Naumburger Bischof Julius Pflug und
Michael Helding, dem Weihbischof von Mainz, noch einmal durchkorrigiert worden. Vgl. ARC 6,
Nr. 16-20, S. 255-348. Die »Märzformel« in ARC 6, S. 3o8ff.
5. Zu Agricola vgl. Ch. W. Spieker-. Die Lebensgeschichte des Andreas Musculus. Frank-
furt/Oder 1858. S. 56. Die Übersetzung lag am 24. März vor (ARC 5, S. 243, Anm. 167). Zu Georg
 
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