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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Bartusch, Ilas: Jubelschall und Totenklage – Die Funktionen mittelalterlicher Glocken im Spiegel ihrer Inschriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0104
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23. Mai 2012

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Ende des 13. Jahrhunderts thematisiert (DI 81 Essen nr. 47): + (CH)RISTVM ■ DE •
LIGNO • CLAMANTEM ■ DVM ■ SONO • SIGNO (Übers.: Ertöne ich, so er-
innere ich an Christus, wie er vom Kreuz herab schrie.).Während sich dieses Signal
aufgrund des österlichen Läuteverbots nicht in die Karfreitagsliturgie einbinden ließ,
standen Glockenzeichen sonst vielfach in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Messfeier. Dazu gehört vor allem das Wandlungsläuten. Schon für das einsetzende 13.
Jahrhundert ist bezeugt, dass zum Zeitpunkt der Elevation der Hostie auch die
großen Turmglocken geschlagen wurden.7 Ganz unmittelbar nimmt darauf die
Inschrift der im 14. Jahrhundert gegossenen alten Ave-Glocke im Dachreiter des
Kölner Domes Bezug: + EN ■ CELVM ■ MATRE ■ QVEM ■ TERRA • PARIT ■
SINE ■ PATRE ■ PANIS ■ MONSTRATVR ■ DEVS ■ EST ■ CARO ■ VIVA •
LEVATVR (Übers.: Siehe, wen der Himmel durch die Mutter und die Erde ohne
Vater hervorbringt, der wird als Brot gezeigt, ist Gott und wird als lebendiges Fleisch
erhoben.).8 Seltener sind die mittelalterlichen Belege für ein Glockenzeichen zum
Sanctus.9 Immerhin ist als Glockenname OSANNA besonders häufig bezeugt. Soll-
te es sich hierbei nicht nur um einen Hilferuf ganz allgemeiner Natur handeln (hosi-
anna = hebr. hilf doch!), könnte er durchaus mit dem liturgischen Jubel „Hosanna
in excelsis“ innerhalb des Sanctus im Zusammenhang stehen. Dann ließe sich hier
einmal aus einer Inschrift auf ein bestimmtes Glockensignal schließen, während viele
Inschriften sonst nur im Wissen um die Läuteordnungen sinnvoll zu interpretieren
sind. Und doch haben sich lange nicht alle Glockenfunktionen in den Inschriften
niedergeschlagen, wie sich ebensowenig alle Glockeninschriften aus den Funktionen
ihrer Träger herleiten.


Glocke (1357) aus Schönau (Rhein-Neckar-Kreis), heute in Erbach (Odenwaldkreis)

7 Vgl. Joseph Braun, Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung, Mün-
chen 1932, 574.
8 Vgl. Martin Seidler, Die Dachreiterglocken des Kölner Domes, in: Kölner Domblatt. Jahrbuch des
Zentral-Dombau-Vereins 43 (1978) 51—66, hier 56f. (Abb. 3—5).
9 Vgl. Josef Andreas Jungmann, Missarum sollemnia, Wien 1962, Bd. 2, 165 Anm. 22.
 
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