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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Kemmerling, Andreas: Antrittsrede von Herrn Andreas Kemmerling: an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. Januar 2012
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0119
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ANTRITTSREDEN

Das Studium und die ersten Schritte der akademischen Karriere waren dann
ein Klacks, begünstigt und beschleunigt durch einige glückhafte Umstände. In
München, wohin ich mit 20 ging, auch der Philosophie wegen, traf ich auf Eike
von Savigny. Er, ein Nachkomme des großen Friedrich Carl, war damals ein frisch-
gebackener Privatdozent, der Enthusiasmus versprühte. Um ihn scharte sich eine
kleine Gruppe von Studentinnen und Studenten; wenigstens acht von ihnen wurden
später Professoren. Er ignorierte manche Schnöseligkeit, bemerkte vielleicht meine
verborgene philosophische Inbrunst und spornte mich jedenfalls dazu an, das Philo-
sophieren wirklich ernst zu nehmen. Und insbesondere dazu, mir endlich das mir
mögliche Maß an intellektueller Disziplin anzueignen. Bei ihm schrieb ich 1976
meine Doktorarbeit über den Begriff der Konvention und dessen Wichtigkeit für die
Sprachphilosophie.
Mit 32 kehrte ich - nach ein paar Jahren in Bielefeld, wo ich mich habilitier-
te, und einem sonnig-wonnigen Intermezzo als Gastprofessor in Los Angeles — nach
München zurück, auf eine Lebenszeitprofessur. Meine Eltern, die Sorgen in Hinblick
auf Philosophie als Brotberuf hatten, waren endgültig beruhigt und ein bisschen
stolz. Wolfgang Stegmüller, der Doyen der sog. analytischen Philosophie in Deutsch-
land, hatte mich an sein Institut geholt. Ich erlaube mir, das so zu sagen, denn damals
ging das wirklich noch so. Dieses Institut mit sieben Professoren war ein Zentrum
für Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie. Die andern waren allesamt hoch-
karätige Spezialisten, deren unbremsbare Freude am Diskutieren mit harten Banda-
gen die Atmosphäre prägte. Gerade wenn man nicht geschont wurde und beim
Argumentieren die Fetzen flogen, galt das als eine freundschaftliche Bekundung des
Respekts. Das waren sehr passende Arbeitsbedingungen für einen Auszubildenden,
der ich auch als Professor immer noch war. Außer meinen sogenannten Spezialge-
bieten kannte ich ja kaum etwas. Damals habe ich noch einmal viel gelernt, als leh-
render Lehrling sozusagen — mit einer erfreulich guten Bezahlung.
In München blieb ich 17 Jahre und konnte der Verlockung, an eine andere
Universität zu wechseln, leicht widerstehen. Bis ich 1999 den Ruf nach Heidelberg
erhielt. Seitdem kennen mich manche unter Ihnen. Dass ich nun in Ihren Kreis
gewählt wurde, empfinde ich als ehrenvoll und danke dafür. Der Gedanke, dass auch
einige unter Ihnen mich gewählt haben, die mich persönlich kennen, ist für mich
besonders schön.

Meine Arbeitsgebiete liegen in der theoretischen Philosophie: speziell in der Sprach-
philosophie, der Philosophie des Geistes, der Erkenntnistheorie, und in entsprechen-
den Bereichen der Philosophiegeschichte seit der frühen Neuzeit — wobei ich den
sog. deutschen Idealismus nach Kant nach besten Kräften zu überspringen versuche
und nach Kant erst wieder bei Bolzano und Frege anknüpfe. Das Systematische reizt
mich allerdings mehr als das Historische, und so ist meine Beschäftigung mit einigen
der Großen Alten vornehmlich durch meine systematischen Interessen geprägt. —
Praktische Philosophie betreibe ich nur zum Eigenbedarf und im Gespräch mit
besten Freunden. Meinem Temperament entspricht es nicht, ex cathedra darüber zu
sprechen, was moralisch gut oder verpflichtend ist. Außerdem habe ich das für mich
 
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