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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Reski, Ralf: Antrittsrede von Herrn Ralf Reski: an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. April 2012
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0126
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Ralf Reski

145

Beeindruckt hat mich besonders der Giessener Genetiker Fritz Anders mit sei-
ner Offenheit uns Frischlingen gegenüber und seiner Begeisterung für sein Fach. Er
forschte an der Tumorbildung bei Fischen und leitete daraus die These ab, dass Früh-
formen von Tumorgenen für die normale Entwicklung nötig seien. Seine Kollegen
entzogen ihm daraufhin die Prüfungsberechtigung für das Fach Zoologie. Heute ist
das Konzept der Protoonkogene Allgemeingut, wird aber nicht mit Fritz Anders in
Verbindung gebracht.
Zum Hauptstudium wechselte ich nach Hamburg mit dem Vorsatz, Lehrer zu
werden. Unvergesslich die Pädagogikseminare bei Gerda Freise, ihre Begeisterung
für guten Unterricht, ihre Radikalität, die uns angehende Gymnasiallehrer zu einem
Praktikum in einer Hauptschule eines sozialen Brennpunktes verhalf. „Nur so ler-
nen Sie den Wert guten Unterrichts!“, war ihre Begründung.
Für die Abschlussarbeit zog es mich erneut in die Genetik, in Hamburg ver-
treten durch Wolfgang Abel. Er nahm sich ausgiebig Zeit für die Themenfindung und
stellte mich vor die Wahl „Raps oder Moos“ als Untersuchungsobjekt. Am Raps
forschten Viele, es gab reichliche Fördergelder; am Moos forschten Wenige, es war
anders als andere Pflanzen. Ich wählte Moos.
Schon die Vorversuche stürzten mich in Verwirrung: Meine Ergebnisse wider-
sprachen in einem kleinen, aber wichtigen Detail der herrschenden Literatur. Ein-
flussreichster Protagonist dieser Lehrmeinung war der Heidelberger Martin Bopp,
der Mentor meines Betreuers. Sie können sich vorstellen, wie sich Kontrollexperi-
ment auf Kontrollexperiment häufte.
In dieser Zeit habe ich die Wissenschaft lieben gelernt: die Ernsthaftigkeit, die
Wahrheitssuche, den Selbstzweifel, die Prüfung und letztlich das protestantisch-ein-
same „Hier stehe ich....“.
Es ehrt Wolfgang Abel, dass er mich diesen Weg gehen ließ und nie versuchte,
meine Ergebnisse fehl zu interpretieren. Es ehrt Martin Bopp, dass er diesen wissen-
schaftlichen Angriff nicht persönlich nahm, sondern ebenfalls der Wahrheitssuche
verpflichtet blieb.
Nach dem Examen leistete ich meinen Zivildienst in einer ambulanten psycho-
sozialen Beratungsstelle für junge Erwachsene; eine ebenfalls lehrreiche und prägen-
de Zeit. Einige meiner späteren Kollegen waren nicht amüsiert, als ich Ihnen als
Dekan sagte, ich sei durch meinen Zivildienst gut auf diese Tätigkeit vorbereitet
worden.
Neben der Tätigkeit als Zivildienstleistender schrieb ich einen Antrag, der mir
das Promotionsstudium ermöglichte. Hier konnte ich mich dem Luxus hingeben,
dem forschend nachzugehen, das mich wirklich interessierte, ohne auf den unmit-
telbaren Erfolg fixiert zu sein. „Wenn es schief geht, werde ich eben Lehrer“, war
mein Motto.
So bearbeitete ich das Moos zu einer Zeit, als die meisten Pflanzenforscher sich
der neuen Modellpflanze Arabidopsis, einem Ackerunkraut, widmeten. Die Widrig-
keiten, nicht im breiten Fluss mitzuschwimmen, waren groß, der Gutachterkom-
mentar „Interesting Science, but not of general interest. Should be submitted to a
more specialized journal“ häufig und frustrierend.
 
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