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NACHRUFE
Auf Anregung von Richard Kuhn hielt Heinz Staab eine Reihe von Seminar-
Vorträgen über Probleme der Chemischen Bindung und der Strukturbestimmung
organischer Verbindungen. Die sehr gut besuchten Vorträge führten dazu, dass der
Verlag Chemie - angeregt durch Richard Kuhn — Heinz Staab anbot, ein Buch
über den Inhalt seines Seminars zu schreiben. Dies war der Anfang seines Lehrbuchs
über „Einführung in die theoretische organische Chemie“, das im Jahre 1959 erschi-
en. Dieses Buch, das mit seinen 760 Seiten und über 1000 Literaturstellen vorbild-
lich in Sprache und Layout ist, war in dieser Zeit für alle Studierenden der Chemie
in Deutschland das Standardwerk. Es war das erste europäische Buch über das damals
neue Gebiet der physikalischen organischen Chemie. Sein Buch regte mehrere
Generationen von Chemikern an, so auch den Autor dieses Nachrufs, ihr Wissen auf
diesem Gebiet zu vertiefen. Die klare und verständliche Darstellung auch komple-
xer Messverfahren und Modelle machte Staabs Buch zum Bestseller, es erschien in
vier Auflagen, mehreren Nachdrucken und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
Die ersten eigenständigen Forschungsarbeiten Heinz Staabs gingen von einer
biochemischen Fragestellung aus. Er isolierte im Zusammenhang mit Acetylierungs-
experimenten an Cholin das damals noch unbekannte N,N‘-Diacetylhistamin, das
sich als exzellentes Acetylierungsmittel erwies, bei dem die Acetylgruppe am Imida-
zolring unter sehr milden Bedingungen übertragen wurde. Dies regte ihn zu einer
systematischen Untersuchung von N-Acyl-Imidazolen und verwandten N-Acyl-
Azolen an. Alle erwiesen sich als hervorragende Reagenzien zur Herstellung von
Estern, Peptiden und Nucleotiden. Die von Heinz Staab daraus entwickelte Azolid-
Chemie gipfelte in der Entdeckung des N,N‘-Carbonyldiimidazols (GDI), das bis
heute ein wichtiges Reagenz der präparativen organischen Chemie darstellt. Diese
grundlegenden Untersuchungen wurden bis Mitte der 60er Jahre entwickelt und in
über 50 Veröffentlichungen dokumentiert.
Im Jahre 1957 habilitierte sich Heinz Staab mit diesen Arbeiten an der Uni-
versität Heidelberg. Drei Jahre später legte er sein ärztliches Staatsexamen ab und
promovierte zum Dr. med. an derselben Universität.
Nach den o. g. wissenschaftlichen Erfolgen war es nur folgerichtig, dass ihn der
spätere Nobelpreisträger Georg Wittig, der 1960 aus Tübingen als Ordinarius für
organische Chemie nach Heidelberg berufen wurde, 1962 als Extraordinarius an das
Chemische Institut in Heidelberg holte. Ein Jahr darauf wurde Heinz Staab zum
Ordinarius und Direktor am Organisch-Chemischen Institut der Universität Hei-
delberg berufen.
Nach der Azolid-Chemie wandte sich Heinz Staab in den 1960er Jahren mit
Hilfe der aufkommenden Kernresonanz (NMR) Spektroskopie neuen Themen zu.
Er untersuchte intramolekulare Rotationen und Umlagerungen sowie Reaktions-
mechanismen. Zu diesem Gebiet gehört auch die 1965 begonnene Zusammenarbeit
mit dem Arbeitskreis von Gerhard Schmidt vom Weizmann Institut in Rehovot. Es
wurden Festkörper-Reaktionen untersucht, bei denen die gegenseitige Orientie-
rung der Moleküle im Kristallgitter zu stereospezifischen Umsetzungen führt. Ein
weiteres Feld, das sich anschloss, war die Synthese neuer konjugierter Jl-Systeme mit
Aryl-Ringen und Dreifachbindungen als Bauelementen. Damit synthetisierte er
NACHRUFE
Auf Anregung von Richard Kuhn hielt Heinz Staab eine Reihe von Seminar-
Vorträgen über Probleme der Chemischen Bindung und der Strukturbestimmung
organischer Verbindungen. Die sehr gut besuchten Vorträge führten dazu, dass der
Verlag Chemie - angeregt durch Richard Kuhn — Heinz Staab anbot, ein Buch
über den Inhalt seines Seminars zu schreiben. Dies war der Anfang seines Lehrbuchs
über „Einführung in die theoretische organische Chemie“, das im Jahre 1959 erschi-
en. Dieses Buch, das mit seinen 760 Seiten und über 1000 Literaturstellen vorbild-
lich in Sprache und Layout ist, war in dieser Zeit für alle Studierenden der Chemie
in Deutschland das Standardwerk. Es war das erste europäische Buch über das damals
neue Gebiet der physikalischen organischen Chemie. Sein Buch regte mehrere
Generationen von Chemikern an, so auch den Autor dieses Nachrufs, ihr Wissen auf
diesem Gebiet zu vertiefen. Die klare und verständliche Darstellung auch komple-
xer Messverfahren und Modelle machte Staabs Buch zum Bestseller, es erschien in
vier Auflagen, mehreren Nachdrucken und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
Die ersten eigenständigen Forschungsarbeiten Heinz Staabs gingen von einer
biochemischen Fragestellung aus. Er isolierte im Zusammenhang mit Acetylierungs-
experimenten an Cholin das damals noch unbekannte N,N‘-Diacetylhistamin, das
sich als exzellentes Acetylierungsmittel erwies, bei dem die Acetylgruppe am Imida-
zolring unter sehr milden Bedingungen übertragen wurde. Dies regte ihn zu einer
systematischen Untersuchung von N-Acyl-Imidazolen und verwandten N-Acyl-
Azolen an. Alle erwiesen sich als hervorragende Reagenzien zur Herstellung von
Estern, Peptiden und Nucleotiden. Die von Heinz Staab daraus entwickelte Azolid-
Chemie gipfelte in der Entdeckung des N,N‘-Carbonyldiimidazols (GDI), das bis
heute ein wichtiges Reagenz der präparativen organischen Chemie darstellt. Diese
grundlegenden Untersuchungen wurden bis Mitte der 60er Jahre entwickelt und in
über 50 Veröffentlichungen dokumentiert.
Im Jahre 1957 habilitierte sich Heinz Staab mit diesen Arbeiten an der Uni-
versität Heidelberg. Drei Jahre später legte er sein ärztliches Staatsexamen ab und
promovierte zum Dr. med. an derselben Universität.
Nach den o. g. wissenschaftlichen Erfolgen war es nur folgerichtig, dass ihn der
spätere Nobelpreisträger Georg Wittig, der 1960 aus Tübingen als Ordinarius für
organische Chemie nach Heidelberg berufen wurde, 1962 als Extraordinarius an das
Chemische Institut in Heidelberg holte. Ein Jahr darauf wurde Heinz Staab zum
Ordinarius und Direktor am Organisch-Chemischen Institut der Universität Hei-
delberg berufen.
Nach der Azolid-Chemie wandte sich Heinz Staab in den 1960er Jahren mit
Hilfe der aufkommenden Kernresonanz (NMR) Spektroskopie neuen Themen zu.
Er untersuchte intramolekulare Rotationen und Umlagerungen sowie Reaktions-
mechanismen. Zu diesem Gebiet gehört auch die 1965 begonnene Zusammenarbeit
mit dem Arbeitskreis von Gerhard Schmidt vom Weizmann Institut in Rehovot. Es
wurden Festkörper-Reaktionen untersucht, bei denen die gegenseitige Orientie-
rung der Moleküle im Kristallgitter zu stereospezifischen Umsetzungen führt. Ein
weiteres Feld, das sich anschloss, war die Synthese neuer konjugierter Jl-Systeme mit
Aryl-Ringen und Dreifachbindungen als Bauelementen. Damit synthetisierte er