278 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
zugleich aber über die kontextuelle und performative Variation zu überschreiten
und erneuern vermochte.
Die interdisziplinäre Gruppe konnte Forschungsperspektiven aus Theologie,
Altphilologie, germanistischer Mediävistik und neuerer deutscher Literatur-
geschichte erhellend verbinden und so das zentrale Konzept der Lebensalter als
eine anthropologische Ordnungskategorie erfassen. Besondere Aufmerksamkeit
richtete sich auf die Interferenzen zwischen den in der Tradition geprägten und
bis heute konstant anmutenden Ausdrucksmustern, mit denen das menschliche
Altern beschrieben wurde und wird, und den zeitgenössischen Zuschreibungs-
mustern der Differenzkategorie ‘Alter’. Im Zentrum des heuristischen Zugriffs
stand das Konzept einer dynamisch variablen Topik, sowohl für die Bestimmung
von Alterseigenschaften (Alterstopik) als auch für die Abgrenzung differenter
Altersstufen voneinander (Alterszäsuren). Um die Alterstopoi und Alterszäsuren als
Indikatoren kultureller Interpretation des menschlichen Lebenszyklus herauszu-
arbeiten, hat sich das Projekt aufTexte mit Formungsmerkmalen konzentriert, die
über eine reine Informationsvermittlung und -speicherung hinausgehen. Diese
ästhetischen, pragmatischen, rhetorischen oder performativen Merkmale
erschließen eine zusätzliche Sinnebene, die im Zentrum der Untersuchung stand.
Erkenntnisleitende Aspekte der philologischen Untersuchungen waren die perfor-
mative Pragmatisierung von Lebensaltern, deren Poetologisierung oder reflexive
Kommentierung.
Ausgehend von einer transgenerischen Toposanalyse, die den habituellen und
strukturellen Toposbegriff von Lothar Bornscheuer, Wilhelm Schmidt-Biggemann
und Walter F. Veit gegen ein traditionelles Toposverständnis nach Ernst R. Curtius
stark macht, wurde auf einer Tagung zum Thema „Alterstopoi. Neues im alten
Wissen von den Lebensaltern“, die 2008 in Freiburg stattfand, diskutiert, wie sehr
Altersdiskurse von der Spannung zwischen ausdrucksseitiger Konstanz und rheto-
risch-ästhetischer Erneuerung geprägt sind. In 12 Fallstudien wurde herausgearbei-
tet, welche argumentativen und ästhetischen Potentiale Alterstopoi wie etwa der von
der hässlichen, verschmähten alten Frau oder dem grauhaarigen, weisen Alten von
der alttestamentlichen Tradition bis ins 21 .Jahrhundert entfalten. Ihre argumentative
Kraft erhalten die Alterstopoi im Zusammenspiel der Anbindung an allgemein
akzeptiertes Wissen und wiedererkennbare Muster und der immer neuen performa-
tiven Aktualisierung des Gegebenen vor allem in literarischen Entwürfen. So konnte
beobachtet werden, wie konstante, wiedererkennbare Meinungsnormen in verschie-
denen Lebensalterdiskursen zu einer Aktualisierung, Rekombination, Variation und
korrigierenden Kommentierung geführt wurden. So zeigte sich der poetisch-ästhe-
tische und der religiöse Kontext nicht nur als Reaktion auf biologische und sozio-
historische Faktoren des demographischen Wandels und eines veränderlichen
Lebenslaufs, sondern setzte eigenständige Impulse im Diskurs über die menschlichen
Lebensalter. Als Ergebnis der ersten, auf die methodische Grundlegung des Projekts
konzentrierten Tagung konnte der Band Alterstopoi. Das Wissen von den Lebensaltern
in Literatur, Kunst und Theologie 2009 veröffentlicht werden, der gerade nicht als eine
Motivgeschichte des Alterns zu verstehen ist, sondern einen Beitrag zur historischen
zugleich aber über die kontextuelle und performative Variation zu überschreiten
und erneuern vermochte.
Die interdisziplinäre Gruppe konnte Forschungsperspektiven aus Theologie,
Altphilologie, germanistischer Mediävistik und neuerer deutscher Literatur-
geschichte erhellend verbinden und so das zentrale Konzept der Lebensalter als
eine anthropologische Ordnungskategorie erfassen. Besondere Aufmerksamkeit
richtete sich auf die Interferenzen zwischen den in der Tradition geprägten und
bis heute konstant anmutenden Ausdrucksmustern, mit denen das menschliche
Altern beschrieben wurde und wird, und den zeitgenössischen Zuschreibungs-
mustern der Differenzkategorie ‘Alter’. Im Zentrum des heuristischen Zugriffs
stand das Konzept einer dynamisch variablen Topik, sowohl für die Bestimmung
von Alterseigenschaften (Alterstopik) als auch für die Abgrenzung differenter
Altersstufen voneinander (Alterszäsuren). Um die Alterstopoi und Alterszäsuren als
Indikatoren kultureller Interpretation des menschlichen Lebenszyklus herauszu-
arbeiten, hat sich das Projekt aufTexte mit Formungsmerkmalen konzentriert, die
über eine reine Informationsvermittlung und -speicherung hinausgehen. Diese
ästhetischen, pragmatischen, rhetorischen oder performativen Merkmale
erschließen eine zusätzliche Sinnebene, die im Zentrum der Untersuchung stand.
Erkenntnisleitende Aspekte der philologischen Untersuchungen waren die perfor-
mative Pragmatisierung von Lebensaltern, deren Poetologisierung oder reflexive
Kommentierung.
Ausgehend von einer transgenerischen Toposanalyse, die den habituellen und
strukturellen Toposbegriff von Lothar Bornscheuer, Wilhelm Schmidt-Biggemann
und Walter F. Veit gegen ein traditionelles Toposverständnis nach Ernst R. Curtius
stark macht, wurde auf einer Tagung zum Thema „Alterstopoi. Neues im alten
Wissen von den Lebensaltern“, die 2008 in Freiburg stattfand, diskutiert, wie sehr
Altersdiskurse von der Spannung zwischen ausdrucksseitiger Konstanz und rheto-
risch-ästhetischer Erneuerung geprägt sind. In 12 Fallstudien wurde herausgearbei-
tet, welche argumentativen und ästhetischen Potentiale Alterstopoi wie etwa der von
der hässlichen, verschmähten alten Frau oder dem grauhaarigen, weisen Alten von
der alttestamentlichen Tradition bis ins 21 .Jahrhundert entfalten. Ihre argumentative
Kraft erhalten die Alterstopoi im Zusammenspiel der Anbindung an allgemein
akzeptiertes Wissen und wiedererkennbare Muster und der immer neuen performa-
tiven Aktualisierung des Gegebenen vor allem in literarischen Entwürfen. So konnte
beobachtet werden, wie konstante, wiedererkennbare Meinungsnormen in verschie-
denen Lebensalterdiskursen zu einer Aktualisierung, Rekombination, Variation und
korrigierenden Kommentierung geführt wurden. So zeigte sich der poetisch-ästhe-
tische und der religiöse Kontext nicht nur als Reaktion auf biologische und sozio-
historische Faktoren des demographischen Wandels und eines veränderlichen
Lebenslaufs, sondern setzte eigenständige Impulse im Diskurs über die menschlichen
Lebensalter. Als Ergebnis der ersten, auf die methodische Grundlegung des Projekts
konzentrierten Tagung konnte der Band Alterstopoi. Das Wissen von den Lebensaltern
in Literatur, Kunst und Theologie 2009 veröffentlicht werden, der gerade nicht als eine
Motivgeschichte des Alterns zu verstehen ist, sondern einen Beitrag zur historischen