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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
entstehen. Im laufenden Jahr haben wir dieses System zu einem quantitativ definier-
ten experimentellen Paradigma entwickelt, indem wir unter definierten Bedingun-
gen und mit definierten Mischungsraten unterschiedlich genetisch manipulierter
Zellen morphometrisch definierte Zellaggregate aus Hydrazellen generieren. Wir
konnten so die Kinetik der Entstehung und die Größe der jeweilig induzierten
Körperachsen-Organisatoren sowie deren räumliche Abstände quantifizieren. Im
Speziellen untersuchten wir, wie die Kinetik derToplogie der 3D-Körperachsenbil-
dung von Wnt-Morphogenmolekülen abhängt. Der Wnt-Signalweg wurde schon
früher als ausreichend für eine ektopische Initiierung neuer Körperachsen in adul-
ten Hydren beschrieben. Adulte Hydren besitzen allerdings schon ein etabliertes
Morphogenfeld auf ihrer epithelialen Körperoberfläche. Ob und wie Wnt-Signale
während der selbstorganisierenden de now-Musterbildung und Gewebemorpho-
genese in Hydra-Zellaggregaten funktionieren, ist noch unbekannt. Unsere Hypo-
these war, dass Wnt3a als Schlüsselligand für die Achsen-Musterbildung in den
Zellaggregaten fungieren könnte, da rekombinantes Wnt3a-Protein die Kapazität der
Kopf-Organisatorbildung in adulten Tieren stimuliert.
In unseren Experimenten beobachteten wir, dass überraschenderweise nicht
die absolute Menge vom Wnt3a, wie beschrieben und angenommen, sondern lokal
differentielle Unterschiede in Wnt3a-Konzentration pro Zelle für die globale 3D-
Gewebemorphogenese notwendig sind. Dies wurde unabhängig sowohl durch
chemische als auch genetische Wnt3a-Aktivierung in transgenen Zellaggregaten
dokumentiert. Im Speziellen zeigen wir, dass Differentialwerte in Wnt3a-Mengen in
der Ausgangspopulation des Zellaggregats, i.e. der Grad der Wnt3a-Inhomogenität,
die Geschwindigkeit der Entwicklung der Musterbildung steuern, während zu hohe
initiale Differentialwerte in Wnt3a-Expressionsmengen die Gewebemorphogenese
blockieren. Wir definieren ein kritisches Zeitfenster, während dessen eine differenti-
elle Wnt-Präsentierung in den Zellen des Zellaggregats vorherrschen muss. Dieses
Zeitfenster beginnt nach dem Zeitpunkt der epithelialen Organisation und endet
vor der Etablierung der Körperachsenorganisatoren. Interessanterweise entdeckten
wir, dass die zytoskelettäre F-Aktin-Polarisierung (direktionale/orientierte Organi-
sierung) von einzelnen Zellen im neuentstandenen Epithelgewebe durch die Akti-
vität des Wnt-Signalwegs gesteuert wird. Wir postulieren, dass die Wnt-gesteuerte
Polarisierung einzelner Zellen auf differentiellen Wnt-Signalisierungsstärken beruht
und dass die koordinierte Einzelzellpolarisierung der zugrundeliegende Mechanis-
mus sein könnte, wie Wnt die epitheliale Morphogenese auf Gewebeniveau in
Hydra determiniert. Unsere Daten könnten einen allgemeinen Mechanismus andeu-
ten, wie differentielle Wnt-Mengen über subzelluläre Zytoskelettpolarisierung die de
novo-Musterbildung auch für andere relevante biologische Systeme steuern.
1.2. Gewebemorphogenese in Hydra-Zellaggregaten — Mathematische Modellierung
Bereits in den Vorjahren wurden ein mathematisches Modell und numerische Simu-
lationsniethoden für die Gewebemorphogenese in Hydra entwickelt. Mithilfe dieses
Modells und seinen Simulationen konnte erstmals gezeigt werden, dass bereits ein
FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
entstehen. Im laufenden Jahr haben wir dieses System zu einem quantitativ definier-
ten experimentellen Paradigma entwickelt, indem wir unter definierten Bedingun-
gen und mit definierten Mischungsraten unterschiedlich genetisch manipulierter
Zellen morphometrisch definierte Zellaggregate aus Hydrazellen generieren. Wir
konnten so die Kinetik der Entstehung und die Größe der jeweilig induzierten
Körperachsen-Organisatoren sowie deren räumliche Abstände quantifizieren. Im
Speziellen untersuchten wir, wie die Kinetik derToplogie der 3D-Körperachsenbil-
dung von Wnt-Morphogenmolekülen abhängt. Der Wnt-Signalweg wurde schon
früher als ausreichend für eine ektopische Initiierung neuer Körperachsen in adul-
ten Hydren beschrieben. Adulte Hydren besitzen allerdings schon ein etabliertes
Morphogenfeld auf ihrer epithelialen Körperoberfläche. Ob und wie Wnt-Signale
während der selbstorganisierenden de now-Musterbildung und Gewebemorpho-
genese in Hydra-Zellaggregaten funktionieren, ist noch unbekannt. Unsere Hypo-
these war, dass Wnt3a als Schlüsselligand für die Achsen-Musterbildung in den
Zellaggregaten fungieren könnte, da rekombinantes Wnt3a-Protein die Kapazität der
Kopf-Organisatorbildung in adulten Tieren stimuliert.
In unseren Experimenten beobachteten wir, dass überraschenderweise nicht
die absolute Menge vom Wnt3a, wie beschrieben und angenommen, sondern lokal
differentielle Unterschiede in Wnt3a-Konzentration pro Zelle für die globale 3D-
Gewebemorphogenese notwendig sind. Dies wurde unabhängig sowohl durch
chemische als auch genetische Wnt3a-Aktivierung in transgenen Zellaggregaten
dokumentiert. Im Speziellen zeigen wir, dass Differentialwerte in Wnt3a-Mengen in
der Ausgangspopulation des Zellaggregats, i.e. der Grad der Wnt3a-Inhomogenität,
die Geschwindigkeit der Entwicklung der Musterbildung steuern, während zu hohe
initiale Differentialwerte in Wnt3a-Expressionsmengen die Gewebemorphogenese
blockieren. Wir definieren ein kritisches Zeitfenster, während dessen eine differenti-
elle Wnt-Präsentierung in den Zellen des Zellaggregats vorherrschen muss. Dieses
Zeitfenster beginnt nach dem Zeitpunkt der epithelialen Organisation und endet
vor der Etablierung der Körperachsenorganisatoren. Interessanterweise entdeckten
wir, dass die zytoskelettäre F-Aktin-Polarisierung (direktionale/orientierte Organi-
sierung) von einzelnen Zellen im neuentstandenen Epithelgewebe durch die Akti-
vität des Wnt-Signalwegs gesteuert wird. Wir postulieren, dass die Wnt-gesteuerte
Polarisierung einzelner Zellen auf differentiellen Wnt-Signalisierungsstärken beruht
und dass die koordinierte Einzelzellpolarisierung der zugrundeliegende Mechanis-
mus sein könnte, wie Wnt die epitheliale Morphogenese auf Gewebeniveau in
Hydra determiniert. Unsere Daten könnten einen allgemeinen Mechanismus andeu-
ten, wie differentielle Wnt-Mengen über subzelluläre Zytoskelettpolarisierung die de
novo-Musterbildung auch für andere relevante biologische Systeme steuern.
1.2. Gewebemorphogenese in Hydra-Zellaggregaten — Mathematische Modellierung
Bereits in den Vorjahren wurden ein mathematisches Modell und numerische Simu-
lationsniethoden für die Gewebemorphogenese in Hydra entwickelt. Mithilfe dieses
Modells und seinen Simulationen konnte erstmals gezeigt werden, dass bereits ein