I. Jahresfeier am 21. Mai 2016
bei der sog. Neolithischen Revolution um die reine Verbreitung von Kultur und
Wissen handelte, die von Region zu Region weiter gegeben wurde. Nach dieser
Theorie wanderte Wissen, aber nicht die Menschen selbst (Edmonson 1961).
Die alternative Hypothese besagt, dass der Beginn des Ackerbaues in Europa auf
eine Einwanderung von Menschen aus dem Nahen Osten zurückzuführen sei,
die aus der Region des sog. fruchtbaren Halbmonds stammen, in dem die ältes-
ten Spuren von Ackerbau gefunden wurden (Childe 1925).
Um diese Hypothesen mithilfe der Genetik zu testen, wurden in einer Rei-
he von Studien kurze Abschnitte der - nur über die weibliche Linie vererbten
- mitochondrialen DNA von Skeletten früher Ackerbauern und später Jäger und
Sammler untersucht (Haak et al. 2005; Bramanti et al. 2009; Haak et al. 2010;
Brandt et al. 2013). Die Ergebnisse dieser Gegenüberstellung waren eindeu-
tig: Die genetische Zusammensetzung der Jäger und Sammler unterschied sich
deutlich von der der frühen Ackerbauern. Folglich begann die Neolithische Re-
volution und der Beginn der Sesshaftwerdung des Menschen mit einer Einwan-
derung.
Aufgrund der Arbeit mit mitochondrialer, statt der Zellkern DNA blieben
diese Pionierarbeiten zunächst auf die maternale Linie beschränkt. Damit er-
laubten sie noch keine detaillierten Erkenntnisse über die Herkunft und genaue
genetische Zusammensetzung der prähistorischen Populationen bzw. über deren
biologischen Beitrag zu den heutigen Europäern. In einer wegweisenden Studie,
die von der Harvard Medical School und der Universität Tübingen koordiniert
wurde, gelang es im Jahr 2014 erstmals, die vollständigen Genome von einem
Dutzend später Jägern und Sammlern, die um 8.000 vor heute gelebt hatten,
und frühen Ackerbauern Europas, die zwischen 7.200 und 5.400 vor heute leb-
ten, zu entschlüsseln und miteinander zu vergleichen (Lazaridis et al. 2014). Da-
bei stellte sich einerseits heraus, dass sich auch die Zellkern DNA, die auch als
das Genom bezeichnet wird, beider Gruppen stark voneinander unterscheiden.
Andererseits wurde sichtbar, dass die frühen Ackerbauern genetisch eine höhe-
re Ähnlichkeit mit heutigen Einwohnern des Nahen Ostens aufweisen, als mit
Europäischen Jägern und Sammlern. Somit konnte die Einwanderungstheorie
der frühen Ackerbauern aus dem Fruchtbaren Halbmond auch genomweit be-
stätigt werden.
Die Studie brachte weitere bahnbrechende Erkenntnisse über die Herkunft
und Entwicklungsgeschichte der Europäer zum Vorschein: So tragen heutige Eu-
ropäer nicht nur die genetischen Spuren der Ureuropäer in sich und erweisen
sich als genetische Mischung aus frühen Ackerbauern und Jägern und Sammlern,
sondern sind offenbar auch durch eine dritte Population geprägt worden, die aus
Nordeurasien zu stammen scheint. Diese dritte Komponente ist zwar in allen heu-
tigen Europäern zu finden, allerdings weder in den Jägern und Sammlern noch
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bei der sog. Neolithischen Revolution um die reine Verbreitung von Kultur und
Wissen handelte, die von Region zu Region weiter gegeben wurde. Nach dieser
Theorie wanderte Wissen, aber nicht die Menschen selbst (Edmonson 1961).
Die alternative Hypothese besagt, dass der Beginn des Ackerbaues in Europa auf
eine Einwanderung von Menschen aus dem Nahen Osten zurückzuführen sei,
die aus der Region des sog. fruchtbaren Halbmonds stammen, in dem die ältes-
ten Spuren von Ackerbau gefunden wurden (Childe 1925).
Um diese Hypothesen mithilfe der Genetik zu testen, wurden in einer Rei-
he von Studien kurze Abschnitte der - nur über die weibliche Linie vererbten
- mitochondrialen DNA von Skeletten früher Ackerbauern und später Jäger und
Sammler untersucht (Haak et al. 2005; Bramanti et al. 2009; Haak et al. 2010;
Brandt et al. 2013). Die Ergebnisse dieser Gegenüberstellung waren eindeu-
tig: Die genetische Zusammensetzung der Jäger und Sammler unterschied sich
deutlich von der der frühen Ackerbauern. Folglich begann die Neolithische Re-
volution und der Beginn der Sesshaftwerdung des Menschen mit einer Einwan-
derung.
Aufgrund der Arbeit mit mitochondrialer, statt der Zellkern DNA blieben
diese Pionierarbeiten zunächst auf die maternale Linie beschränkt. Damit er-
laubten sie noch keine detaillierten Erkenntnisse über die Herkunft und genaue
genetische Zusammensetzung der prähistorischen Populationen bzw. über deren
biologischen Beitrag zu den heutigen Europäern. In einer wegweisenden Studie,
die von der Harvard Medical School und der Universität Tübingen koordiniert
wurde, gelang es im Jahr 2014 erstmals, die vollständigen Genome von einem
Dutzend später Jägern und Sammlern, die um 8.000 vor heute gelebt hatten,
und frühen Ackerbauern Europas, die zwischen 7.200 und 5.400 vor heute leb-
ten, zu entschlüsseln und miteinander zu vergleichen (Lazaridis et al. 2014). Da-
bei stellte sich einerseits heraus, dass sich auch die Zellkern DNA, die auch als
das Genom bezeichnet wird, beider Gruppen stark voneinander unterscheiden.
Andererseits wurde sichtbar, dass die frühen Ackerbauern genetisch eine höhe-
re Ähnlichkeit mit heutigen Einwohnern des Nahen Ostens aufweisen, als mit
Europäischen Jägern und Sammlern. Somit konnte die Einwanderungstheorie
der frühen Ackerbauern aus dem Fruchtbaren Halbmond auch genomweit be-
stätigt werden.
Die Studie brachte weitere bahnbrechende Erkenntnisse über die Herkunft
und Entwicklungsgeschichte der Europäer zum Vorschein: So tragen heutige Eu-
ropäer nicht nur die genetischen Spuren der Ureuropäer in sich und erweisen
sich als genetische Mischung aus frühen Ackerbauern und Jägern und Sammlern,
sondern sind offenbar auch durch eine dritte Population geprägt worden, die aus
Nordeurasien zu stammen scheint. Diese dritte Komponente ist zwar in allen heu-
tigen Europäern zu finden, allerdings weder in den Jägern und Sammlern noch
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