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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2016 — 2017

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2016
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Niehrs, Christof: Zur Herkunft der embryonalen Körperachsen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55652#0045
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Christof Niehrs

Untersuchungen an Invertebraten ergaben, dass auch bei Nesseltieren Wut
für die Regulierung der oralen-aboralen Achse verantwortlich ist (u. a. Hobmayer
et al., 2000; Holstein, 2008). Bei Planarien reguliert Wnt die a-p (Gurley et al.,
2008) und BMP die d-v Achse (Molina et al., 2007). Damit handelt es sich bei der
Ausbildung der embryonalen Köperachsen offensichtlich um ein evolutionär kon-
serviertes Regulationsprinzip.
Zwischen Vertebraten und Invertebraten gibt es jedoch einen auffallenden
Unterschied und zwar hinsichtlich der Lage von Organen und dem Verlauf des
Nervensystems (Herz ventral bei Vertebraten und Nervensystem dorsal; bei
Invertebraten umgekehrt). Da BMP, verantwortlich für die d-v Achse, interes-
santerweise bei Arthropoden und Chordatieren scheinbar mit umgekehrten Vor-
zeichen wirkt, vermutet man, dass es im Laufe der Evolution zu einer Inversion
der d-v Achse gekommen sein (De Robertis und Sasai, 1996). Mithin scheint
die Determination der a-p und d-v Körperachsen durch ein kartesisches Koor-
dinatensystem von Wnt und BMP Gradienten evolutionär konserviert zu sein
(Niehrs, 2010, Abb. 1).



Abb. 1: Regulation der a-p und d-v Körperachsen ist evolutionär konserviert.
Die Regulation der Kopf-Schwanz (head-tail; antero-posterior) und dorso-ventralen (d-v) Körperachsen durch
Gradienten der Wachstumsfaktoren Wnt bziv. BMP ist beim Froschkeim (A) und der Planarie (B) ähnlich.
Dies ist ein Belegfür die Hypothese, dass ein kartesisches Koordinatensystem dieser beiden Wachstumsfaktoren
evolutionär konserviert ist. Eine solche Übereinstimmung ist in Einklang mit der Vorstellung einerfundamenta-
len Verwandtschaft im Achsenbauplan aller Tiere wie sie u. a. von Geoffroy-Saint Hilaire und Goethe vertreten
wurde. (Abb. aus Niehrs, 2010).

Geoffroy-Saint Hilare hatte diese Verwandtschaft zwischen Arthropoden und
Chordatieren hinsichtlich der d-v Achsen trotz der großen anatomischen Verschie-
denheit der beiden Tierstämme schon 1822 erkannt und basierend darauf seine
Theorie der anatomischen Verwandtschaft aller Lebewesen formuliert. Intellek-
tuelle Zeitgenossen nahmen großen Anteil an der Akademiedebatte und Goethe
fühlte sich durch Geoffroy-Saint Hilare in seinen eignen Ansichten bestätigt. Dass
Geoffroy gegenüber Cuvier im Recht war, wird heute durch die Ergebnisse der
modernen Entwicklungsbiologie bestätigt.

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