11. Die Vermessung der Welt (WIN-Programm)
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Abb. 1: Der „Patemostermacher“ aus einem
der Hausbücher der Mendelschen und
Landauerschen Ziuölfbrüderhausstiftungen
(um 1425, Stadtbibliothek Nürnberg, Amb.
317.2°, f. 13r)
derholenden Betens selbst jedoch lässt sich vermutlich am besten als Akt der Kon-
templation verstehen.7
Die Kleinteiligkeit des Vorgehens, die Zergliederung von Gebeten und Pas-
sionswegen diente der Vergegenwärtigung der Präsenz Gottes bzw. der Vertiefung
in die Leiden Christi. Der Kartäusermönch Ludolf von Sachsen etwa erzählte in
seiner als Erbauungsschrift angelegten Vita Jesu Christi (nach 1348 verfasst) nicht
nur die Lcbcnsgeschichte Jesu nach, sondern gab genauestens Auskunft über die
Anzahl der Wunden, die Jesus während seiner Passion zugefügt wurden. Mehr
noch, die genaue Zahl (5.490) selbst sei einer Gläubigen offenbart worden, zusam-
men mit dem Auftrag, täglich 15mal das Vaterunsrer zu beten, so dass nach einem
Jahr jede Wunde bedacht worden sei.8 Die zahlengestützte Frömmigkeit war hier
der Weg zum mitfühlenden Nacherleben (compassio), das Zählen eine ritualisierte
Form der Verinnerlichung; „es blieb schließlich der Neuzeit überlassen, das Zäh-
7 Zu den Gebetszählschnüren siehe Gislind M. Ritz, Die christliche Gebetszählschnur. Ihre
Geschichte, ihre Erscheinung, ihre Funktion. München 1955.
8 Cuidam etiam seni matrona reclusae multitudinem et numerum omnium vulnerum Christi scire cupienti,
et pro hac reflebiliter Deum oranti, vox coelica missa dixit: Quinque millia quadringenta nonaginta vul-
nera mei corporis exstiterunt; quae si venerari volueris, orationem Dominicam cum salutatione Angelica
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Abb. 1: Der „Patemostermacher“ aus einem
der Hausbücher der Mendelschen und
Landauerschen Ziuölfbrüderhausstiftungen
(um 1425, Stadtbibliothek Nürnberg, Amb.
317.2°, f. 13r)
derholenden Betens selbst jedoch lässt sich vermutlich am besten als Akt der Kon-
templation verstehen.7
Die Kleinteiligkeit des Vorgehens, die Zergliederung von Gebeten und Pas-
sionswegen diente der Vergegenwärtigung der Präsenz Gottes bzw. der Vertiefung
in die Leiden Christi. Der Kartäusermönch Ludolf von Sachsen etwa erzählte in
seiner als Erbauungsschrift angelegten Vita Jesu Christi (nach 1348 verfasst) nicht
nur die Lcbcnsgeschichte Jesu nach, sondern gab genauestens Auskunft über die
Anzahl der Wunden, die Jesus während seiner Passion zugefügt wurden. Mehr
noch, die genaue Zahl (5.490) selbst sei einer Gläubigen offenbart worden, zusam-
men mit dem Auftrag, täglich 15mal das Vaterunsrer zu beten, so dass nach einem
Jahr jede Wunde bedacht worden sei.8 Die zahlengestützte Frömmigkeit war hier
der Weg zum mitfühlenden Nacherleben (compassio), das Zählen eine ritualisierte
Form der Verinnerlichung; „es blieb schließlich der Neuzeit überlassen, das Zäh-
7 Zu den Gebetszählschnüren siehe Gislind M. Ritz, Die christliche Gebetszählschnur. Ihre
Geschichte, ihre Erscheinung, ihre Funktion. München 1955.
8 Cuidam etiam seni matrona reclusae multitudinem et numerum omnium vulnerum Christi scire cupienti,
et pro hac reflebiliter Deum oranti, vox coelica missa dixit: Quinque millia quadringenta nonaginta vul-
nera mei corporis exstiterunt; quae si venerari volueris, orationem Dominicam cum salutatione Angelica
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