D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
tures mortes“, also in die Historiengemälde integrierten „Stillleben-Kompositio-
nen, auseinandersetzte. Diese wurden zwar von Poussin selbst u. a. passender als
„Parerga“, also als „Beiwerke“, bezeichnet und scheinen damit etwas auf den ersten
Blick Vernachlässigbares zu meinen (also lediglich schmückende Dekoration); tat-
sächlich aber führen diese Kleinkompositionen nicht nur in chronologischer Hin-
sicht einmal durch das Werk Poussins hindurch, d. h. sie lassen sich ebenso schon
in seinen Anfängen wie dann auch noch in seinem Spätwerk beobachten, so dass
sich an ihnen auch die stilistische und intellektuelle Veränderung und Entwicklung
Poussins gut analysieren lässt. Darüber hinaus gewähren Natur und Zusammen-
stellung dieser Objektarrangements immer wieder aufschlussreiche Einblicke in
die von Poussin konsultierten visuellen wie literarischen Quellen (dahingehend
z. B. dass sich sogar rekonstruieren lässt, welche konkrete Übersetzung eines his-
torischen oder mythologischen Textes der Maler seinem Bild zugrunde legte). Da-
mit führt das Thema auch zwei Aspekte Poussins zusammen, die in der Forschung
zuweilen zu stark voneinander isoliert werden (auch hier wieder also eine Dop-
pelung), nämlich einmal eine Sicht auf Poussin als „peintre savant“, als gelehrten
Maler, und zum anderen ein Verständnis des Künstlers als „peintre pratique“, also
als praktisch schaffendem Maler: „A plea for Poussin as a painter“, ein Plädoyer
für Poussin als Maler, hatte der britische Kunsthistoriker Sir Denis Mahon daher
bereits 1965 einen Aufsatz von sich überschrieben, als er den Eindruck hatte, dass
der französische Meister von der Zunft zu sehr zu einem rein intellektuellen Phi-
losophen und Gelehrten stilisiert würde.
Um Ihnen kurz ein konkretes Beispiel von der Natur und der Bedeutung sol-
cher Parerga zu geben: In dem Gemälde „Die Aussetzung des kleinen Moses“ aus
dem Jahr 1654 (Ashmolean Museum, Oxford) arrangiert Poussin an einem Baum
Gegenstände wie Pfeil und Köcher sowie eine Panflöte und kleine Zimbeln zuei-
nander (Abb. 1). In der Forschungsliteratur wurde dies zumeist als Niederschlag
verschiedener, von Poussin rezipierter gelehrter Texte zur Religionsgeschichte seit
der Antike interpretiert, wo z. B. Moses gemäß einer synkretistischen Denkweise
in Parallele zu Pan oder Priapus gesetzt wird. An der heute im Pariser Louvre auf-
bewahrten Kopie eines Studienblatt Nicolas Poussins kann man ersehen, dass die-
ser die Komposition der Objekte sehr sorgfältig vorstudiert hatte (Abb. 2) - strittig
war nur, welche gelehrten Traktate er hierfür gelesen haben mochte, und in Bezug
auf diese waren in der Forschung z. T. höchst unterschiedliche Vorschläge unter-
breitet worden waren. Wie ich in meiner Dissertation jedoch nun zeigen konnte,
hatte Poussin die Objekte offenbar nicht selbst zusammengestellt, sondern er war
hier schlichtweg einem Stich des Giulio Bonasone nach einer Komposition des
Renaissancekünstlers Giulio Romano gefolgt, die Pan und Pomona zeigt (Abb. 3):
Nicht eine Vielzahl gelehrter Traktate, aus denen Poussin sich mühsam die Gegen-
ständen zusammenexzerpierte, sondern eine konkrete künstlerische Vorlage stand
folglich am Anfang von Poussins Parergon in seinem „Moses“-Gemälde.
292
tures mortes“, also in die Historiengemälde integrierten „Stillleben-Kompositio-
nen, auseinandersetzte. Diese wurden zwar von Poussin selbst u. a. passender als
„Parerga“, also als „Beiwerke“, bezeichnet und scheinen damit etwas auf den ersten
Blick Vernachlässigbares zu meinen (also lediglich schmückende Dekoration); tat-
sächlich aber führen diese Kleinkompositionen nicht nur in chronologischer Hin-
sicht einmal durch das Werk Poussins hindurch, d. h. sie lassen sich ebenso schon
in seinen Anfängen wie dann auch noch in seinem Spätwerk beobachten, so dass
sich an ihnen auch die stilistische und intellektuelle Veränderung und Entwicklung
Poussins gut analysieren lässt. Darüber hinaus gewähren Natur und Zusammen-
stellung dieser Objektarrangements immer wieder aufschlussreiche Einblicke in
die von Poussin konsultierten visuellen wie literarischen Quellen (dahingehend
z. B. dass sich sogar rekonstruieren lässt, welche konkrete Übersetzung eines his-
torischen oder mythologischen Textes der Maler seinem Bild zugrunde legte). Da-
mit führt das Thema auch zwei Aspekte Poussins zusammen, die in der Forschung
zuweilen zu stark voneinander isoliert werden (auch hier wieder also eine Dop-
pelung), nämlich einmal eine Sicht auf Poussin als „peintre savant“, als gelehrten
Maler, und zum anderen ein Verständnis des Künstlers als „peintre pratique“, also
als praktisch schaffendem Maler: „A plea for Poussin as a painter“, ein Plädoyer
für Poussin als Maler, hatte der britische Kunsthistoriker Sir Denis Mahon daher
bereits 1965 einen Aufsatz von sich überschrieben, als er den Eindruck hatte, dass
der französische Meister von der Zunft zu sehr zu einem rein intellektuellen Phi-
losophen und Gelehrten stilisiert würde.
Um Ihnen kurz ein konkretes Beispiel von der Natur und der Bedeutung sol-
cher Parerga zu geben: In dem Gemälde „Die Aussetzung des kleinen Moses“ aus
dem Jahr 1654 (Ashmolean Museum, Oxford) arrangiert Poussin an einem Baum
Gegenstände wie Pfeil und Köcher sowie eine Panflöte und kleine Zimbeln zuei-
nander (Abb. 1). In der Forschungsliteratur wurde dies zumeist als Niederschlag
verschiedener, von Poussin rezipierter gelehrter Texte zur Religionsgeschichte seit
der Antike interpretiert, wo z. B. Moses gemäß einer synkretistischen Denkweise
in Parallele zu Pan oder Priapus gesetzt wird. An der heute im Pariser Louvre auf-
bewahrten Kopie eines Studienblatt Nicolas Poussins kann man ersehen, dass die-
ser die Komposition der Objekte sehr sorgfältig vorstudiert hatte (Abb. 2) - strittig
war nur, welche gelehrten Traktate er hierfür gelesen haben mochte, und in Bezug
auf diese waren in der Forschung z. T. höchst unterschiedliche Vorschläge unter-
breitet worden waren. Wie ich in meiner Dissertation jedoch nun zeigen konnte,
hatte Poussin die Objekte offenbar nicht selbst zusammengestellt, sondern er war
hier schlichtweg einem Stich des Giulio Bonasone nach einer Komposition des
Renaissancekünstlers Giulio Romano gefolgt, die Pan und Pomona zeigt (Abb. 3):
Nicht eine Vielzahl gelehrter Traktate, aus denen Poussin sich mühsam die Gegen-
ständen zusammenexzerpierte, sondern eine konkrete künstlerische Vorlage stand
folglich am Anfang von Poussins Parergon in seinem „Moses“-Gemälde.
292