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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0013
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XII

Einleitung des Herausgebers

die Universität, wenn sie ihren »Endzweck« erreiche, auch die Interessen des Staates
bediene.26
Die genannten Positionen von Kant, Schelling, Fichte, Schleiermacher und Hum-
boldt haben Jaspers’ Überlegungen zur Universitätsidee nachhaltig geprägt. Den zeit-
geschichtlichen Anlass aber, diese nach mehrjähriger Planung 1923 in einer eigenen
Schrift zur Universitätsidee darzulegen, bildete der politische Umbruch in Deutsch-
land nach dem Ersten Weltkrieg und der hierdurch angestoßene Diskurs um Hoch-
schulreformen.
2. Die Situation der Universitäten in der frühen Weimarer Republik
Den Ausgangspunkt für die Reformbemühungen nach dem Sturz der Monarchie in
Deutschland bildete die offensichtliche Krise, in die das von der Berliner Universitäts-
gründung geprägte und inzwischen von Friedrich Althoff27 zu einem zentralistisch ge-
lenkten System umgebaute preußische Universitätsmodell Ende des 19. Jahrhunderts
geraten war. Diese ergab sich einerseits daraus, dass sich die Studierendenzahlen zwi-
schen 1860 und 1923 vervielfacht hatten,28 ohne dass der Lehrkörper eine angemes-
sene Aufstockung erfahren hätte, und andererseits aus verstärkten Bestrebungen der
Studierenden, sich mit ihrem Studium angesichts eines erhöhten Bedarfs an techno-
logisch geschulten Fachkräften für moderne Berufe zu qualifizieren - Entwicklungen,
mit denen die Bildungspolitik weder in ökonomischer noch in konzeptueller Hinsicht
Schritt halten konnte. Zusammen mit den Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges wie
der wirtschaftlichen Notlage, der Verbreitung der »Dolchstoßlegende«29 sowie dem

26 Ebd.,255.
27 Der Rechtswissenschaftler Friedrich Althoff (1839-1908) war 1897 zum Leiter des gesamten Un-
terrichts- und Hochschulwesens Preußens ernannt worden. Berüchtigt und als »System Althoff«
bezeichnet wurde sein Vorgehen aufgrund seines eigenmächtigen Handelns, der Überschreitung
von Ressortgrenzen und der Unterhaltung eines weit verzweigten Netzwerks von Vertrauensleu-
ten. Mittels dieses Netzwerks überging er gezielt Entscheidungen der Universitäten, insbesondere
bei Berufungsangelegenheiten. Althoffs Vorgehen gilt seitdem als exemplarisch für die staatliche
Korrumpierung der universitären Selbstverwaltung (vgl. F. Paulsen: Geschichte des gelehrten Unter-
richts, Bd. 2, dritte, erweiterte Auflage, hg. und in einem Anhang fortgesetzt von R. Lehmann, Ber-
lin, Leipzig 1921, 701; Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 1, 2. überarbeitete und erweiterte
Ausgabe, hg. von R. Vierhaus, München 2005,130; B. vom Brocke: »Von der Wissenschaftsver-
waltung zur Wissenschaftspolitik. Friedrich Althoff«, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. n
[1988] 1-26).
28 Zwischen 1860 und 1914 verfünffachten sich die Studierendenzahlen. Gegenüber 1914 (79300)
stieg die Zahl der Studierenden, nach dem Einschnitt durch den Ersten Weltkrieg, zwischen 1918
und 1923 von 20000 auf 125000 (vgl. H.-U. Wehler: DGGIII, 420; ebd., IV, 463; M. H. Kater: Stu-
dentenschaft und Rechtsradikalismus in Deutschland 1918-1933. Eine sozialgeschichtliche Studie zur
Bildungskrise in der Weimarer Republik, Hamburg 1975, 67).
29 Die »Dolchstoßlegende« war eine Verschwörungstheorie, die nach dem Ersten Weltkrieg im Zu-
sammenhang mit der Kriegsschulddiskussion durch den »Alldeutschen Verband« und die deut-
 
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