Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0014
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung des Herausgebers

XIII

1920 in Kraft getretenen und von einer breiten Mehrheit der Deutschen als demüti-
gend empfundenen Versailler Friedensvertrag führte dies dazu, dass weite Teile der Stu-
dierenden, zunehmend aber auch die Professoren, in vehemente Opposition zum
neuen, die Auflagen des Versailler Vertrages billigenden demokratischen Staatswesen
der Weimarer Republik traten.* * * * * * * * * 30
Die erste hochschulpolitische Antwort auf diese Krise war 1919 der Versuch des
MSPD-Kultusministers Konrad Haenisch,31 mit Hilfe eines Erlasses32 einen Dialog
zwischen Politik und den Hochschulen anzuregen. Haenischs Mission bestand im We-
sentlichen darin, die zentralistische Lenkung aufzuheben und den Universitäten Mög-
lichkeiten für eine Umgestaltung von innen heraus zu eröffnen.33 Trotz seines öffentli-
chen Bekenntnisses zu Humboldt wich Haenisch signifikant von dessen Grundidee ab,
indem er versuchte, die Rolle der Universitäten als Ausbildungsstätten für Fachberufe
zu stärken. Haenischs Vorstellungen wurden auch von dessen Nachfolger Carl Hein-
rich Becker34 weitgehend geteilt und weiter verfolgt. Dabei setzte sich Becker, dessen
Grundanliegen in der Förderung der staatsbürgerlichen demokratischen Erziehung an
der Universität bestand, besonders für eine Demokratisierung der Hochschulverfas-
sung und eine Beteiligung der Studierenden an der Hochschulselbstverwaltung ein.

sehe »Oberste Heeresleitung« verbreitet wurde. Ihr liegt die Behauptung zugrunde, das deutsche
Heer sei im Ersten Weltkrieg im Felde unbesiegt geblieben. Den Zusammenbruch Deutschlands
hätten stattdessen Teile der Zivilbevölkerung, insbesondere die revolutionären sozialistischen
Kräfte mit ihren Streikbewegungen verschuldet und damit das Heer »von hinten erdolcht«. Ob-
wohl die Legende 1925 im sog. »Dolchstoßprozess« entkräftet wurde, schürte die politische Rechte
mit ihrer Hilfe auch nach dem Prozess weiter das Ressentiment gegen die Sozialdemokratie und
die jüdische Bevölkerung, die als gewissenlose Volksverräter gebrandmarkt wurden (vgl. hierzu
bes.: J. Petzold: Die Dolchstoßlegende. Eine Geschichtsverfälschung im Dienst des deutschen Imperialis-
mus und Militarismus, Berlin 1963,1-3,23-25, 43).
30 Vgl. M. H. Kater: Studentenschaft und Rechtsradikalismus, 19, 200. Zusammengenommen führten
die oben genannten Entwicklungen dazu, dass die Jahre von 1918 bis 1923, wie J. Schwarz schreibt,
»in der studentischen Jugend durch geistige und politische Unruhe gekennzeichnet [waren], wie
kaum eine Zeit früher oder später« (ders.: Studenten in der Weimarer Republik. Die deutsche Studen-
tenschaft in der Zeit von 1918-1923 und ihre Stellung zur Politik, Berlin 1971,17).
31 Konrad Haenisch (1876-1925), Journalist und Politiker der MSPD, war von 1918 bis 1921 preußi-
scher Kultusminister.
32 Es handelt sich dabei um den Erlass mit der Kennzeichnung »UI Nr. 1046 UIT« vom 17. Mai 1919.
33 Als konkret reformbedürftig weist Haenisch in dem genannten Erlass folgende Bereiche aus: Be-
stimmung der pädagogischen Aufgaben, Stellung der außerordentlichen Professoren, Neurege-
lung der Stellung der Privatdozenten und Beteiligung der Studentenschaft an den Hochschulge-
schäften (vgl. hierzu Haenischs Erlass im Anhang von C. H. Becker: Gedanken zur Hochschulreform,
Leipzig 1919, 67-70).
34 Der Orientalist Carl Heinrich Becker (1876-1933) war von Haenisch im April 1919 zum Unterstaats-
sekretär ernannt worden. Becker war selbst 1921 und 1925-1930 parteiloser preußischer Kultus-
minister und gilt aufgrund seines politischen Wirkens und seiner Schriften Gedanken zur Hoch-
schulreform [1919] und Vom Wesen der deutschen Universität [1925] als prägnanteste Gestalt der
Weimarer Hochschulpolitik.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften