XVIII
Einleitung des Herausgebers
fende Liebe« beschreibt.56 Mit der Ergriffenheit des Menschen vom Willen zur Erkennt-
nis geht Jaspers zufolge eine persönliche Bildung einher, welche die humanitas als Be-
reitschaft rationaler Abwägung fördere. Den Bildungsauftrag der Universität sieht er
in erster Linie darin, den Lernenden auf intellektuellem Gebiet alle Werkzeuge und
Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, sie aber in allem Entscheidenden auf Selb-
ständigkeit und die eigene Verantwortung zu verweisen. Universitätsbildung könne
darum nur einer Auswahl von Menschen mit starkem geistigen Willen zukommen,
womit sich die Frage nach einer geeigneten Auslese stellt. An dieser Stelle tritt Jaspers’
fachliche Prägung besonders deutlich zu Tage: Das Problem der Begabtenauslese wird
nicht aus soziologischer, sondern aus psychologischer Perspektive und vorrangig un-
ter dem Gesichtspunkt der kriterialen Bestimmung von Begabung reflektiert. Aus sei-
ner Diskussion der Begabungen in §3 zieht er den Schluss, dass gerade die wesentli-
chen Begabungen wie »Geistigkeit als das Ethos der Intelligenz« und das »Schöpferi-
sche, Geniale«57 nicht abprüfbar seien und deshalb eine sinnvolle Auslese nicht vor,
sondern erst am Ende des Studiums durch Schlussexamina erfolgen könne.
§4 der »Voraussetzungen« ist der Kommunikation gewidmet, die Jaspers hier be-
reits stark existenzphilosophisch akzentuiert.58 Ähnlich wie in seinem im Nachlass
aufgefundenen Typoskript »Individuum und Einsamkeit« von 1915/1659 wird die Kom-
munikation als »kämpfende Liebe« gefasst, die im grenzenlosen Rede- und Antwort-
Stehen »das Selbst im anderen Selbst offenbar werden« lasse.60 Parallel dazu sieht er in
der Diskussion als »geistiger Kommunikation« - anders als in der von ihm als Wett-
kampf angesehenen »Disputation« - keine festen Prinzipien und keinen bis zum Sieg
über den anderen festgehaltenen Standpunkt am Werke, sondern nur einen kritischen
Prozess. Die für Jaspers maßgebliche Selbstkritik der Wissenschaft als reflexives Kor-
rektiv ist also bereits an dieser Stelle deutlich existentiell gefärbt und wird in ihrer Be-
deutung höher eingestuft als die Generierung wissenschaftlicher Ergebnisse.
Der fünfte und letzte Paragraph des Kapitels »Voraussetzungen« ist mit »Persönli-
che und institutionelle Gestalt des Geistigen« überschrieben. In seiner Lesart der
Humboldt’schen Idee von »Einsamkeit und Freiheit« unterscheidet Jaspers darin zwi-
schen »individuell-selbständigen« und »schematischen« Lebensläufen.61 Alles Neue,
Schöpferische sieht er aus der Einsamkeit Einzelner kommen. Allerdings hält Jaspers
56 K. Jaspers: Die Idee der Universität [1923], in diesem Band, 20-22.
57 Ebd., 25-26.
58 Vgl. zum Begriff der Kommunikation bei Jaspers: G. Bonanni: »»Kommunikation« Die Genese
eines Jaspers’schen Grundbegriffes«, in: Jahrbuch der Österreichischen Karl-Jaspers-Gesellschaft,
Nr. 21 (2008) 53-82.
59 EV durch H. Saner unter dem Titel »Einsamkeit«, in: Revue Internationale de Philosophie, Nr. 147
(1983) 390-409-
60 K. Jaspers: Die Idee der Universität [1923], in diesem Band, 34.
61 Ebd., 36-37.
Einleitung des Herausgebers
fende Liebe« beschreibt.56 Mit der Ergriffenheit des Menschen vom Willen zur Erkennt-
nis geht Jaspers zufolge eine persönliche Bildung einher, welche die humanitas als Be-
reitschaft rationaler Abwägung fördere. Den Bildungsauftrag der Universität sieht er
in erster Linie darin, den Lernenden auf intellektuellem Gebiet alle Werkzeuge und
Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, sie aber in allem Entscheidenden auf Selb-
ständigkeit und die eigene Verantwortung zu verweisen. Universitätsbildung könne
darum nur einer Auswahl von Menschen mit starkem geistigen Willen zukommen,
womit sich die Frage nach einer geeigneten Auslese stellt. An dieser Stelle tritt Jaspers’
fachliche Prägung besonders deutlich zu Tage: Das Problem der Begabtenauslese wird
nicht aus soziologischer, sondern aus psychologischer Perspektive und vorrangig un-
ter dem Gesichtspunkt der kriterialen Bestimmung von Begabung reflektiert. Aus sei-
ner Diskussion der Begabungen in §3 zieht er den Schluss, dass gerade die wesentli-
chen Begabungen wie »Geistigkeit als das Ethos der Intelligenz« und das »Schöpferi-
sche, Geniale«57 nicht abprüfbar seien und deshalb eine sinnvolle Auslese nicht vor,
sondern erst am Ende des Studiums durch Schlussexamina erfolgen könne.
§4 der »Voraussetzungen« ist der Kommunikation gewidmet, die Jaspers hier be-
reits stark existenzphilosophisch akzentuiert.58 Ähnlich wie in seinem im Nachlass
aufgefundenen Typoskript »Individuum und Einsamkeit« von 1915/1659 wird die Kom-
munikation als »kämpfende Liebe« gefasst, die im grenzenlosen Rede- und Antwort-
Stehen »das Selbst im anderen Selbst offenbar werden« lasse.60 Parallel dazu sieht er in
der Diskussion als »geistiger Kommunikation« - anders als in der von ihm als Wett-
kampf angesehenen »Disputation« - keine festen Prinzipien und keinen bis zum Sieg
über den anderen festgehaltenen Standpunkt am Werke, sondern nur einen kritischen
Prozess. Die für Jaspers maßgebliche Selbstkritik der Wissenschaft als reflexives Kor-
rektiv ist also bereits an dieser Stelle deutlich existentiell gefärbt und wird in ihrer Be-
deutung höher eingestuft als die Generierung wissenschaftlicher Ergebnisse.
Der fünfte und letzte Paragraph des Kapitels »Voraussetzungen« ist mit »Persönli-
che und institutionelle Gestalt des Geistigen« überschrieben. In seiner Lesart der
Humboldt’schen Idee von »Einsamkeit und Freiheit« unterscheidet Jaspers darin zwi-
schen »individuell-selbständigen« und »schematischen« Lebensläufen.61 Alles Neue,
Schöpferische sieht er aus der Einsamkeit Einzelner kommen. Allerdings hält Jaspers
56 K. Jaspers: Die Idee der Universität [1923], in diesem Band, 20-22.
57 Ebd., 25-26.
58 Vgl. zum Begriff der Kommunikation bei Jaspers: G. Bonanni: »»Kommunikation« Die Genese
eines Jaspers’schen Grundbegriffes«, in: Jahrbuch der Österreichischen Karl-Jaspers-Gesellschaft,
Nr. 21 (2008) 53-82.
59 EV durch H. Saner unter dem Titel »Einsamkeit«, in: Revue Internationale de Philosophie, Nr. 147
(1983) 390-409-
60 K. Jaspers: Die Idee der Universität [1923], in diesem Band, 34.
61 Ebd., 36-37.