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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0029
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XXVIII

Einleitung des Herausgebers

eher Beamter »nicht arischer Abstammung« verfügt und eine Gesinnungskontrolle
eingeführt, die eine Entlassung derjenigen Personen legitimierte, die »nach ihrer bis-
herigen politischen Betätigung« nicht die Gewähr dafür bieten konnten, »jederzeit
rückhaltlos für den nationalen Staat« einzutreten.* * * * * * * * 106
Insgesamt erlitten die Universitäten aufgrund der NS-Gesetzgebung und der allge-
genwärtigen Bedrohung jüdischer und regimekritischer Intellektueller zwischen 1933
und 1945 einen beispiellosen Exodus: Das Berufsbeamtengesetz führte bereits bis Ende
1934 zur Entlassung von insgesamt 1684 Hochschullehrern, bis zum Kriegsbeginn
mussten rund 3000 Wissenschaftler, darunter 756 Professoren, Deutschland verlas-
sen.107 Die zwangspensionierten Lehrkräfte wurden z.T. durch parteikonforme ersetzt,
die halfen, die nationalsozialistische Ideologie weiter zu streuen und institutionell zu
verankern.108 Mit der Einführung des »Führerprinzips« wurde die akademische Selbst-
verwaltung praktisch aufgelöst, indem die Rektoren als »Führer der Hochschule« ins-
talliert wurden. Auch die Selbständigkeit der Länder wurde mit der Einrichtung des
»Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung« am 1. Mai 1934
aufgehoben, das fortan auch die Ernennung der Rektoren übernahm.109
Charakteristisch für das Verhalten des Lehrkörpers zu diesen Vorgängen war einer-
seits eine teils begeisterte Begrüßung der nationalsozialistischen Vorstöße, andererseits
die weitgehend protestlose Hinnahme der Erlasse und eine auffällige Gleichgültigkeit
gegenüber dem Schicksal betroffener Kollegen.110 Hinzu kam der Verrat wissenschaft-

wurden seine Veröffentlichungen von der »Reichsschrifttumskammer« verhindert, ab 1943 ver-
boten. Für den Fall einer Deportation hatte sich das Ehepaar Jaspers Zyankali-Kapseln beschafft,
die stets griffbereit gehalten wurden. Noch 1945 erfuhr Jaspers durch Emil Henk, dass ihre Depor-
tation für den 14. April vorgesehen sei. Am 30. März marschierten die Amerikaner in Heidelberg
ein (vgl. zu diesen Vorgängen: K. Jaspers: Philosophische Autobiographie, 10, 47, 74-75; H. Saner:
»Überleben mit einer Jüdin in Deutschland. Karl und Gertrud Jaspers in der Zeit des Nationalso-
zialismus«, in: ders.: Erinnern und Vergessen. Essays zur Geschichte des Denkens, Basel 2004,97-130;
D. Kaegi: »Philosophie«, 321, 338-339).
106 Vgl. »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, §§3 und 4. Der sog. »Arierpara-
graph« (3) des BBG sah zunächst noch Ausnahmen vor, die in späteren Fassungen wegfielen.
Bereits 1933 wurde zusätzlich die Entlassung aller Beamten verfügt, die Mitglieder der kommu-
nistischen Partei waren oder »sich in Zukunft im marxistischen (kommunistischen oder sozial-
demokratischen) Sinne betätigen« (§ 2a, 20. Juli 1933). Im Zusammenhang mit den im September
1935 erlassenen »Nürnberger Gesetzen« wurde in der »Erste[n] Verordnung zum Reichsbürgerge-
setz« vom November 1935 der Beamtenstatus neu definiert, so dass ab diesem Zeitpunkt auch die
bisher durch Ausnahmeregelungen verschonten »Nichtarier« entlassen wurden. Ab dem 26. Ja-
nuar 1937 wurde der Beamtenstatus im »Deutschen Beamtengesetz« zudem von der »arischen«
oder »nicht-arischen« Herkunft des Ehegatten abhängig gemacht (DBG, §59).
107 Heidelberg verlor bis Kriegsbeginn 24% seiner Lehrkräfte, die am stärksten betroffenen Universi-
täten in Berlin und Frankfurt 32% (H.-U. Wehler: DGG IV, 824).
108 Vgl. R. A. Müller: GdU, 96.
109 Vgl. H. Weisert: Verfassung der Universität, 129.
110 Vgl. H. Titze: »Hochschulen«, 227; H.-U. Wehler: DGG IV, 825.
 
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