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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0052
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Einleitung des Herausgebers

LI

So heißt es in Die Idee der Universität: »Ohne Wahrheit keine Freiheit, ohne Freiheit kein
Friede. Diese Einsicht kann im Schatten der Gesamtsituation dem Sinn der Universi-
tät die höchste Steigerung geben.«231 In diesem Sinne spricht Rossmann explizit aus,
was als Überzeugung in Jaspers’ Veröffentlichungen zur Universität in den Jahren
1960/61 mitschwingt: »Der Kampf um die künftige Gestalt und Ordnung der mensch-
lichen Welt wird auf dem Boden der Wissenschaft ausgetragen [...]. Es ist ein im Me-
dium der Wissenschaftlichkeit um die Freiheit selber zu führender Kampf.«232 Insofern
für Jaspers Wahrheit nicht zuerst in einem Gehalt liegt, sondern »[i]n der Weise, wie
dieser gedacht, aufgezeigt und diskutiert wird«,233 reiht sich seine Betonung der poli-
tischen Bedeutung der selbst apolitischen Universität ein in das große Projekt der phi-
losophischen Moderne, der Aufklärung, als deren Puls Jaspers das universitäre Leben
letztlich interpretiert. In Aufnahme dieser Tradition sieht Jaspers in der Idee der Uni-
versität »die Aufgabe, in der freien Welt dieser und damit sich selbst ständig den Spie-
gel vorzuhalten, damit die faktische Unwahrhaftigkeit und Unfreiheit dieser Welt, die
nur erst auf dem Wege zur Freiheit ist, gesehen und immer von neuem überwunden
werde. [...] Die Universität soll die Möglichkeit der Politik überhaupt und damit die Vo-
raussetzung für ihr eigenes Dasein durch die gewaltlosen geistigen Waffen der Erhel-
lung, Einsicht, Überzeugung, durch die Wahrheit schützen.«234
Die existentiell motivierte Wahrheitssuche bildet für Jaspers dabei das zentrale Mo-
ment, auf das sich seine Hoffnung einer Umwendung der Universität zu ihrer alten
Idee, aber auch die Legitimität ihrer Existenz stützt. Eine das reine Verstandesdenken
übergreifende Vernunft klagt Jaspers auch mit Blick auf die Politik ein, was ihn zu einer
scharfen Kritik des Umgangs der Bundesrepublik Deutschland mit der Universität ver-
anlasst. Der Staat betrachte die Universität in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der
Nützlichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Fachausbildung.235 Hiergegen
müsse sich die Universität zur Wehr setzen, und zwar mit dem Argument: »Wer ausge-
bildet wird, soll nicht nur der richtig funktionierende Teil einer Maschine, sondern
der mit seinem Wesen für Wahrheit und Wissenschaft wirkende Mensch werden«.236
Durch Rossmanns Reformvorschläge erhielt Die Idee der Universität erstmals den
Charakter eines eigenständigen Programms. Rossmann betont zu Beginn seiner Aus-
führungen, dass das Postulat einer Wiedergewinnung der Idee der Universität in ei-
ner neuen Gestalt keinen restaurativen Charakter, sondern den einer Neuschöpfung
haben müsse.237 Aus diesem Grund vermeidet er eine direkte Anlehnung an die Berli-

231 Die Idee der Universität [1961], in diesem Band, 269.
232 Ebd.,384.
233 K. Jaspers: »Wahrheit, Freiheit und Friede«, 46.
234 Die Idee der Universität [1961], in diesem Band, 287.
235 Vgl. ebd., 284.
236 Ebd.
237 Ebd., 382.
 
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