Einleitung des Herausgebers
LIII
schränkte wissenschaftlich-technische Berufsausbildung« an ein neu einzurichtendes
Fachschulwesen delegiert wird.
Die gemeinsam mit Rossmann erarbeitete dritte Fassung der Idee der Universität war
der letzte Text, den Jaspers zu Hochschulfragen verfasst hat. Kurz nach Erscheinen der
Schrift meldeten sich die beiden Autoren aber noch in einem Gespräch zum Thema
»Wissenschaft, Lehrfreiheit und Politik« zu Wort. Das Gespräch wurde am 25. Okto-
ber 1961 vom Süddeutschen Rundfunk ausgestrahlt243 und in der Deutschen Universi-
tätszeitung abgedruckt, in deren Herausgeberkreis Jaspers in der Zwischenzeit einge-
rückt war. Thematisch war es vor allem der Frage nach der Lehrfreiheit vor dem
Hintergrund des »Falls Bense«244 gewidmet, der 1961 für Entrüstung unter den Hoch-
schullehrern gesorgt hatte. Jaspers’ letzte dokumentierte Äußerungen zur Universität
finden sich in einem Zeitungsinterview mit Gerhard Fauth aus dem Jahre 1968,245 in
dem er u.a. zum Umgang mit der NS-Vergangenheit, den Studentenprotesten der
I9öoer-Jahre246 und zur Hierarchie des Lehrkörpers Stellung nahm.
12. Werkgeschichtliche Einordnung
Unter werkgeschichtlichen Gesichtspunkten ist es insbesondere die Nähe zu den
existenzphilosophischen, gesellschaftskritischen und politischen Schriften sowie zu
wissenschaftstheoretischen Reflexionen im Rahmen der Ausarbeitung seiner »Philo-
sophischen Logik«, die sich in Jaspers’ Texten zur Universitätsidee am stärksten nie-
derschlägt. Stand die Erstauflage der Idee der Universität noch deutlich unter dem Ein-
fluss seiner Weltanschauungspsychologie und des Deutschen Idealismus, so gewannen
die in den I93oer-Jahren verfassten Texte ihre scharfe geistesaristokratische Kontur vor
243 EV in: Die Deutsche Universitätszeitung, Nr. 12 (1961) 34-39; in diesem Band, 445-455.
244 Der Philosoph Max Bense sollte 1960 nach dem Willen des Senats der Technischen Universität
Stuttgart zum persönlichen Ordinarius befördert werden. Aufgrund von Zweifeln an dessen
»staatsbürgerliche[r] Loyalität« wurde diese Beförderung durch den Hochschulreferenten des Kul-
tusministeriums, Heinz Autenrieth, mit dem Verweis auf eine vermeintliche Religionsfeindlich-
keit Benses abgelehnt. Obwohl sich Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger dieser Deutung an-
schloss und Bense vorwarf, außerhalb seiner Lehrtätigkeit »monströse und große Bevölkerungsteile
beleidigende Äußerungen« getan zu haben, musste das Kultusministerium schließlich dem Druck
der Öffentlichkeit nachgeben (vgl. hierzu: G. Ropohl: »Der Fall Bense. Ein Rückblick in die sech-
ziger Jahre«, in: U. Sieber [Hg.]: Zum Gedenken an Max Bense. Reden und Texte an seinem 90. Geburts-
tag, Stuttgart 2000, 40-48; »Heftige Diskussion über den Fall Bense«, in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung [3.3.1961] 6). Im Nachlass findet sich ein Protestbrief von Jaspers an den Baden-Württem-
bergischen Ministerpräsidenten Kiesinger, der jedoch nicht abgeschickt wurde.
245 »Blick in die Welt. Ein Interview von Gerhard Fauth« [1968].
246 Vgl. zu Jaspers und den Studentenprotesten in der BRD: B. Weidmann: »Karl Jaspers und die stu-
dentische Protestbewegung. Der Umschlag von Kommunikation in Kampf am Beispiel Rudi
Dutschkes«, in: A. Cesana, G. J. Walters (Hg.): Karl Jaspers. Geschichtliche Wirklichkeit mit Blick auf
die Grundfragen der Menschheit / Karl Jaspers. Historie Actuality in View of Fundamental Problems of
Mankind, Würzburg 2008,385-405.
LIII
schränkte wissenschaftlich-technische Berufsausbildung« an ein neu einzurichtendes
Fachschulwesen delegiert wird.
Die gemeinsam mit Rossmann erarbeitete dritte Fassung der Idee der Universität war
der letzte Text, den Jaspers zu Hochschulfragen verfasst hat. Kurz nach Erscheinen der
Schrift meldeten sich die beiden Autoren aber noch in einem Gespräch zum Thema
»Wissenschaft, Lehrfreiheit und Politik« zu Wort. Das Gespräch wurde am 25. Okto-
ber 1961 vom Süddeutschen Rundfunk ausgestrahlt243 und in der Deutschen Universi-
tätszeitung abgedruckt, in deren Herausgeberkreis Jaspers in der Zwischenzeit einge-
rückt war. Thematisch war es vor allem der Frage nach der Lehrfreiheit vor dem
Hintergrund des »Falls Bense«244 gewidmet, der 1961 für Entrüstung unter den Hoch-
schullehrern gesorgt hatte. Jaspers’ letzte dokumentierte Äußerungen zur Universität
finden sich in einem Zeitungsinterview mit Gerhard Fauth aus dem Jahre 1968,245 in
dem er u.a. zum Umgang mit der NS-Vergangenheit, den Studentenprotesten der
I9öoer-Jahre246 und zur Hierarchie des Lehrkörpers Stellung nahm.
12. Werkgeschichtliche Einordnung
Unter werkgeschichtlichen Gesichtspunkten ist es insbesondere die Nähe zu den
existenzphilosophischen, gesellschaftskritischen und politischen Schriften sowie zu
wissenschaftstheoretischen Reflexionen im Rahmen der Ausarbeitung seiner »Philo-
sophischen Logik«, die sich in Jaspers’ Texten zur Universitätsidee am stärksten nie-
derschlägt. Stand die Erstauflage der Idee der Universität noch deutlich unter dem Ein-
fluss seiner Weltanschauungspsychologie und des Deutschen Idealismus, so gewannen
die in den I93oer-Jahren verfassten Texte ihre scharfe geistesaristokratische Kontur vor
243 EV in: Die Deutsche Universitätszeitung, Nr. 12 (1961) 34-39; in diesem Band, 445-455.
244 Der Philosoph Max Bense sollte 1960 nach dem Willen des Senats der Technischen Universität
Stuttgart zum persönlichen Ordinarius befördert werden. Aufgrund von Zweifeln an dessen
»staatsbürgerliche[r] Loyalität« wurde diese Beförderung durch den Hochschulreferenten des Kul-
tusministeriums, Heinz Autenrieth, mit dem Verweis auf eine vermeintliche Religionsfeindlich-
keit Benses abgelehnt. Obwohl sich Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger dieser Deutung an-
schloss und Bense vorwarf, außerhalb seiner Lehrtätigkeit »monströse und große Bevölkerungsteile
beleidigende Äußerungen« getan zu haben, musste das Kultusministerium schließlich dem Druck
der Öffentlichkeit nachgeben (vgl. hierzu: G. Ropohl: »Der Fall Bense. Ein Rückblick in die sech-
ziger Jahre«, in: U. Sieber [Hg.]: Zum Gedenken an Max Bense. Reden und Texte an seinem 90. Geburts-
tag, Stuttgart 2000, 40-48; »Heftige Diskussion über den Fall Bense«, in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung [3.3.1961] 6). Im Nachlass findet sich ein Protestbrief von Jaspers an den Baden-Württem-
bergischen Ministerpräsidenten Kiesinger, der jedoch nicht abgeschickt wurde.
245 »Blick in die Welt. Ein Interview von Gerhard Fauth« [1968].
246 Vgl. zu Jaspers und den Studentenprotesten in der BRD: B. Weidmann: »Karl Jaspers und die stu-
dentische Protestbewegung. Der Umschlag von Kommunikation in Kampf am Beispiel Rudi
Dutschkes«, in: A. Cesana, G. J. Walters (Hg.): Karl Jaspers. Geschichtliche Wirklichkeit mit Blick auf
die Grundfragen der Menschheit / Karl Jaspers. Historie Actuality in View of Fundamental Problems of
Mankind, Würzburg 2008,385-405.