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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0092
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Die Idee der Universität [1923]

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sis behält recht, daß schließlich alles in Widersprüchen, Antinomien endigt. Man
kann nur immer mehr Widersprüche zu erkennen und dadurch zur Auflösung gereizt
voranzukommen suchen. Das bloße Pathos der Richtigkeit ist gewöhnlich der Deck-
mantel der Unproduktivität und Unanschaulichkeit. Wenn man umgekehrt die
Fruchtbarkeit zum Kriterium macht, so führt man einen ganz subjektiven Faktor ein,
der alsbald zum Deckmantel für außerwissenschaftliche Lebensinteressen dient.
Es gibt kein allgemeines Kriterium dafür, was Wahrheit sei. Das Merkmal des Wis-
senschaftlichen ist, daß man Wahrheit will, d.h. daß man zu Begründungen bereit ist
und zu Diskussionen, daß man auf Gründe hören will und kann, daß man sich einer
objektiven Evidenz unterwirft und allen Arten von Evidenz zugänglich ist, bereit, ihre
Grenzen und ihre Art sich bewußt werden zu lassen; daß man gewillt ist, seine Wün-
sche und Interessen zurückzustellen. So hält man nicht das für Wahrheit, was einem
erwünscht ist, oder umgekehrt folgt nicht einem Bedürfnis der Selbstzerfleischung,
das gerade überall das für wahr zu halten | sucht, was einem unerwünscht ist. Für die-
ses Können ist ein Merkmal, daß man in Selbstreflexion diese Kräfte, welche die Ob-
jektivität stören und vielleicht fast nie ganz restlos aufkommen lassen, kennt.
Dieser Wille zur Objektivität, zur Wahrheit29 als solcher ist etwas gleichsam Un-
menschliches.30 Die Besonnenheit muß die stärksten Instinkte und Lebensinteressen
für den Augenblick des Erkennens bändigen können. Das ist um so schwieriger, je nä-
her der Gegenstand unserem Interesse steht. Die Freiheit von subjektiven Kräften ist
relativ leichter etwa in Physik und Chemie, schwerer in der Soziologie und Politik,
noch schwerer in der Psychologie, am schwersten in bezug auf das Ganze der Welt, das
in einem philosophischen Weltbild,31 selbst wenn es nicht geht, immer wieder zu fas-
sen versucht wird. Was die Welt sei, das zu fragen pflegt nur der, welcher das Bedürf-
nis nach einer vorher bestimmten Antwort hat. Denn wer nur objektiv die Wahrheit
sucht, fragt nur da, wo auch Antworten möglich sind oder konstruiert mögliche Fra-
gen, ohne sie zu beantworten, höchstens in dem Bemühen, alle nur möglichen Ant-
worten zu finden, schließlich vielleicht in einem Pathos, irgendwo das Rationale in
sich selbst zusammenbrechen zu lassen.
Wissenschaftliche Erziehung ist diejenige, die zur Objektivität erzieht, d.h. nicht,
die den Menschen zum Nurobjektiven macht, sondern die ihn befähigt, objektiv sein
zu können. Wissenschaft als Beruf kann nur ein Mensch sinnvoll betreiben, der die-
ses Pathos zur Objektivität32 hat. Der Zustand der wissenschaftlichen Objektivität läßt
sich mit Nietzsche als »Tod mit wachem Auge«33 schildern. Vor allem ist es ganz frag-
lich, ob die Wissenschaft überall »nützlich«, lebensfördernd, erwünscht ist. Man kann
nie vorher sagen, ob sie eine Weltanschauung, z.B. die harmonische, möglich bleiben
läßt oder zu unendlichen Spannungen führt. Sie ist durch ihre jeweiligen Resultate
nicht ohne Einfluß auf die seelische Haltung und auf das Tun, nicht gleichgültig für
die Weltanschauung überhaupt.34 Sie ist in reiner Form überhaupt nur bei gewissen
Weltanschauungen, nicht bei allen, möglich. Das Wissen ist auf keinen Fall harmlos,

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