Die Idee der Universität [1923]
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düng der Sinn für Legalität und Gewohnheit, für das, was sich gehört, für Takt und Sit-
ten, aus der Wissenschaft der Sinn für Objektivität, die unbestechliche Redlichkeit des
Urteils. Bildung und Wissenschaft fließen aus dem Geiste, von dem sie ursprünglich
beseelt sind, von dem sich zu lösen sie tendieren, wodurch sie dann verdorren. Es gibt
also drei Gegensätze, den des Geistigen und des Ungeistigen (des Philisters, Pedanten,
trotzig Engen, sich Fixierenden, Fanatischen), des Gebildeten und des Barbaren, des
Wissenden und des Unwissenden. Für Bildung gibt es Erziehung, für Wissenschaft Un-
terricht, für den Geist nur Kommunikation (Kampf und Liebe).37 Man kann gebildet
sein und dabei unwissend und ungeistig. Der Geist muß die Gestalt von Bildung, Wis-
senschaft, von ethischen Imperativen usw. annehmen, um soziologisch wirksam zu
werden. Sonst ist der Geist nur in Einzelnen für die anderen Einzelnen. Den Geist kann
man nicht wollen, sondern nur aus dem Geiste wollen, Bildung und Wissen sind wil-
lentlich zu fördern. Über den Geist kann man sich prinzipielle philosophische Gedan-
ken machen und immer unzureichende Formulierungen finden für das, was man
meint; es handelt sich um eine begrenzte und ganz unempirische Aufgabe. Die Gestal-
ten der Bildung sind soziologisch, historisch und psychologisch zu untersuchen: eine
grenzenlose empirische Aufgabe. Die Wissenschaft wird untersucht in Methodenlehre
und Wissenschaftsgeschichte, eine nicht zu Ende zu bringende Aufgabe, durch deren
Erfüllung der Gang der wissenschaftlichen Forschung sich selbst erhellt.
§ 2. Erziehung und Unterricht
Wie biologische Qualitäten naturgesetzlich durch Vererbung, so pflanzen sich geistige
Inhalte durch Tradition unter Mitwirkung des bewußten und freien Willens fort, oder
sie gehen verloren. Der | Mensch ist nichts allein. Ohne von der geistigen Tradition 18
aufgenommen zu werden, bleibt er idiotisch - wie man früher Taubstumme, denen
nichts fehlte als infolge eines lokalen Ohrleidens die sprachliche Kommunikation,
fälschlich für Idioten hielt.
Faßt man Erziehung in dem aller weitesten Sinne einer Übertragung der geistigen
Inhalte überhaupt, so gibt es unbewußte, unwillkürliche Erziehung überall, wo es Men-
schen gibt. Und diese unbewußte Tradition und Prägung (durch Kulturkreis und Ge-
sellschaft, Volk und Staat, Stand und Familie) bleibt der höchst wirksame, j a entschei-
dende Hintergrund der nicht so tiefgreifenden bewußten Erziehung, der willkürlichen
Beeinflussung durch Züchtung und Unterricht.
Wir unterscheiden Erziehung und Unterricht. Unterricht ist die Mitteilung von
Wissen, das Beibringen von Fertigkeiten wie Schreiben und Lesen. Erziehung ist die
Prägung der Persönlichkeit nach einem Bildungsideal, nach sittlichen Normen. Im
Unterricht werden anschauliche und gedankliche Inhalte übertragen, Wissen und
Können vermittelt, in der Erziehung wird der Mensch in die Sitten und Forderungen
der herrschenden Gesellschaft durch Zucht und Gewohnheit eingeführt. Jedoch ist
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düng der Sinn für Legalität und Gewohnheit, für das, was sich gehört, für Takt und Sit-
ten, aus der Wissenschaft der Sinn für Objektivität, die unbestechliche Redlichkeit des
Urteils. Bildung und Wissenschaft fließen aus dem Geiste, von dem sie ursprünglich
beseelt sind, von dem sich zu lösen sie tendieren, wodurch sie dann verdorren. Es gibt
also drei Gegensätze, den des Geistigen und des Ungeistigen (des Philisters, Pedanten,
trotzig Engen, sich Fixierenden, Fanatischen), des Gebildeten und des Barbaren, des
Wissenden und des Unwissenden. Für Bildung gibt es Erziehung, für Wissenschaft Un-
terricht, für den Geist nur Kommunikation (Kampf und Liebe).37 Man kann gebildet
sein und dabei unwissend und ungeistig. Der Geist muß die Gestalt von Bildung, Wis-
senschaft, von ethischen Imperativen usw. annehmen, um soziologisch wirksam zu
werden. Sonst ist der Geist nur in Einzelnen für die anderen Einzelnen. Den Geist kann
man nicht wollen, sondern nur aus dem Geiste wollen, Bildung und Wissen sind wil-
lentlich zu fördern. Über den Geist kann man sich prinzipielle philosophische Gedan-
ken machen und immer unzureichende Formulierungen finden für das, was man
meint; es handelt sich um eine begrenzte und ganz unempirische Aufgabe. Die Gestal-
ten der Bildung sind soziologisch, historisch und psychologisch zu untersuchen: eine
grenzenlose empirische Aufgabe. Die Wissenschaft wird untersucht in Methodenlehre
und Wissenschaftsgeschichte, eine nicht zu Ende zu bringende Aufgabe, durch deren
Erfüllung der Gang der wissenschaftlichen Forschung sich selbst erhellt.
§ 2. Erziehung und Unterricht
Wie biologische Qualitäten naturgesetzlich durch Vererbung, so pflanzen sich geistige
Inhalte durch Tradition unter Mitwirkung des bewußten und freien Willens fort, oder
sie gehen verloren. Der | Mensch ist nichts allein. Ohne von der geistigen Tradition 18
aufgenommen zu werden, bleibt er idiotisch - wie man früher Taubstumme, denen
nichts fehlte als infolge eines lokalen Ohrleidens die sprachliche Kommunikation,
fälschlich für Idioten hielt.
Faßt man Erziehung in dem aller weitesten Sinne einer Übertragung der geistigen
Inhalte überhaupt, so gibt es unbewußte, unwillkürliche Erziehung überall, wo es Men-
schen gibt. Und diese unbewußte Tradition und Prägung (durch Kulturkreis und Ge-
sellschaft, Volk und Staat, Stand und Familie) bleibt der höchst wirksame, j a entschei-
dende Hintergrund der nicht so tiefgreifenden bewußten Erziehung, der willkürlichen
Beeinflussung durch Züchtung und Unterricht.
Wir unterscheiden Erziehung und Unterricht. Unterricht ist die Mitteilung von
Wissen, das Beibringen von Fertigkeiten wie Schreiben und Lesen. Erziehung ist die
Prägung der Persönlichkeit nach einem Bildungsideal, nach sittlichen Normen. Im
Unterricht werden anschauliche und gedankliche Inhalte übertragen, Wissen und
Können vermittelt, in der Erziehung wird der Mensch in die Sitten und Forderungen
der herrschenden Gesellschaft durch Zucht und Gewohnheit eingeführt. Jedoch ist