Die Idee der Universität [1923]
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Geniale oder das Schöpferische, Ursprüngliche momentweise in jedem Menschen -
zumal in der Jugend nur dadurch kann uns das große Genie angehen, weil wir ir-
gendwo auch von seiner Art sind. Es ist ein absoluter Unterschied zwischen dem Ge-
nialen und allem andern, das Begabung ist und guter Wille, aber der Unterschied liegt
im einzelnen Menschen. Und niemand ist absolut ganz und gar Genius, sondern doch
ein genialer Mensch. Es brennt mehr oder weniger dieses Feuer im Menschen, - kein
Mensch ist ein Gott. Aber der Unterschied ist in Quantität und Grad so ungeheuer, daß
wir einen Grund haben, unsere Distanz zum Genie auch qualitativ zu fühlen; der ent-
scheidende Unterschied zwischen Menschen ist, ob der Dämon ihr Leben beherrscht
oder die Regel der gesellschaftlichen, beruflichen, ethischen Ordnungen allein und
an erster Stelle.
| Was wir als vier Momente unterschieden, hängt im Leben untrennbar zusammen. 28
Die Voraussetzungen und die Intelligenz sind gleichsam die Werkzeuge, die Geistig-
keit die Kraft, die sie bewegt, benutzt, beherrscht. An Stelle dieser Kraft können rein
praktische, utilitarische Interessen treten, welche ungeistig sind. Hohe Begabung gibt
es ohne Geistigkeit; und auch Geistigkeit mit schlechten Werkzeugen, aus denen mit
Zähigkeit und Energie immerhin etwas herausgeholt wird. Ein Totales, alles vorherige
voraussetzend, ist das Genie. Hier handelt es sich nicht um Leistung, sondern Schöp-
fung, nicht um bloßen Willen, sondern um Wachstum, nicht um Verdienst, sondern
um Gegebenheit und verzehrende Flamme. Aber das Genie existiert und entfaltet sich
nur, wenn zugleich Ethos, Wille, Fleiß, Handwerk da sind. Es gibt auch geniale Men-
schen, die schließlich alles verlieren und ganz ungeistig verkommen.
Die Verteilung der Begabungen und die Eigenschaften der Masse
In aller Gesellschaft gibt es Unterschiede des Ranges, der materiellen Wohlfahrt, gibt
es vor allem unvermeidlich den Unterschied von Führern und Geführten. Das Ideal
ist, daß die hervorragendsten Menschen auch die Führenden sind, daß die Hierarchie
der gesellschaftlichen Ordnung zusammenfällt mit der Hierarchie der persönlichen
Niveau- und Begabungsunterschiede. Es ist das Ideal, das von Plato formuliert wurde,
nach dem die staatlichen Verhältnisse erst besser werden würden, wenn die Philoso-
phen Staatslenker oder die Staatslenker Philosophen würden.50
Dieses Ideal ist ein regulatives Prinzip, aber es ist nicht vollendet zu verwirklichen,
weil alle Menschlichkeit im Fluß ist, und jede Verwirklichung, selbst wenn sie - uto-
pisch - einen Moment gelänge, im nächsten Augenblick sich innerlich verwandeln
würde zu den alten Inadäquatheiten. Denn:
a) Die Anschauung, welche persönlichen Werte die höchsten seien, wechselt. Die
Begabungen sind je nach der soziologischen, ökonomischen und technischen Welt-
lage verschieden gut zu brauchen.
b) Jeder Rang wird alsbald irgendwie fixiert. Ohne Dauer und Kontinuität geht es
nicht. Ob die Menschen als Nachkommen | (ererbter Rang) oder als Schüler sich ablö- 29
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Geniale oder das Schöpferische, Ursprüngliche momentweise in jedem Menschen -
zumal in der Jugend nur dadurch kann uns das große Genie angehen, weil wir ir-
gendwo auch von seiner Art sind. Es ist ein absoluter Unterschied zwischen dem Ge-
nialen und allem andern, das Begabung ist und guter Wille, aber der Unterschied liegt
im einzelnen Menschen. Und niemand ist absolut ganz und gar Genius, sondern doch
ein genialer Mensch. Es brennt mehr oder weniger dieses Feuer im Menschen, - kein
Mensch ist ein Gott. Aber der Unterschied ist in Quantität und Grad so ungeheuer, daß
wir einen Grund haben, unsere Distanz zum Genie auch qualitativ zu fühlen; der ent-
scheidende Unterschied zwischen Menschen ist, ob der Dämon ihr Leben beherrscht
oder die Regel der gesellschaftlichen, beruflichen, ethischen Ordnungen allein und
an erster Stelle.
| Was wir als vier Momente unterschieden, hängt im Leben untrennbar zusammen. 28
Die Voraussetzungen und die Intelligenz sind gleichsam die Werkzeuge, die Geistig-
keit die Kraft, die sie bewegt, benutzt, beherrscht. An Stelle dieser Kraft können rein
praktische, utilitarische Interessen treten, welche ungeistig sind. Hohe Begabung gibt
es ohne Geistigkeit; und auch Geistigkeit mit schlechten Werkzeugen, aus denen mit
Zähigkeit und Energie immerhin etwas herausgeholt wird. Ein Totales, alles vorherige
voraussetzend, ist das Genie. Hier handelt es sich nicht um Leistung, sondern Schöp-
fung, nicht um bloßen Willen, sondern um Wachstum, nicht um Verdienst, sondern
um Gegebenheit und verzehrende Flamme. Aber das Genie existiert und entfaltet sich
nur, wenn zugleich Ethos, Wille, Fleiß, Handwerk da sind. Es gibt auch geniale Men-
schen, die schließlich alles verlieren und ganz ungeistig verkommen.
Die Verteilung der Begabungen und die Eigenschaften der Masse
In aller Gesellschaft gibt es Unterschiede des Ranges, der materiellen Wohlfahrt, gibt
es vor allem unvermeidlich den Unterschied von Führern und Geführten. Das Ideal
ist, daß die hervorragendsten Menschen auch die Führenden sind, daß die Hierarchie
der gesellschaftlichen Ordnung zusammenfällt mit der Hierarchie der persönlichen
Niveau- und Begabungsunterschiede. Es ist das Ideal, das von Plato formuliert wurde,
nach dem die staatlichen Verhältnisse erst besser werden würden, wenn die Philoso-
phen Staatslenker oder die Staatslenker Philosophen würden.50
Dieses Ideal ist ein regulatives Prinzip, aber es ist nicht vollendet zu verwirklichen,
weil alle Menschlichkeit im Fluß ist, und jede Verwirklichung, selbst wenn sie - uto-
pisch - einen Moment gelänge, im nächsten Augenblick sich innerlich verwandeln
würde zu den alten Inadäquatheiten. Denn:
a) Die Anschauung, welche persönlichen Werte die höchsten seien, wechselt. Die
Begabungen sind je nach der soziologischen, ökonomischen und technischen Welt-
lage verschieden gut zu brauchen.
b) Jeder Rang wird alsbald irgendwie fixiert. Ohne Dauer und Kontinuität geht es
nicht. Ob die Menschen als Nachkommen | (ererbter Rang) oder als Schüler sich ablö- 29