Die Idee der Universität [1923]
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zur wurzellosen Internationalität, zur unentschiedenen Konzilianz usw. je nach der
Schicht, die etwas bedeutet) entscheidend, nicht eine Geistigkeit schlechthin.
Wenn die soziologischen Verhältnisse einfach die Geburt endgültig die Auslese be-
stimmen lassen, so muß die Inadäquatheit zwischen Begabung und Beruf am größten
sein. Sie wird nur manchmal vermöge einer vollendeten, durch eine willentliche Insti-
tution nicht herstellbaren Erziehung zum Teil ausgeglichen. Demgegenüber steht die
Idee, die Auswahl solle nach Begabung geschehen, und diese müsse bei den Einzelnen
objektiv festgestellt werden, so daß die Auslese direkt und willentlich, nicht indirekt und
zufällig geschehe. Hierbei kann das entscheidende Motiv sein: a) die äußerste Ausnut-
zung und Verwertung eines gegebenen Menschenmaterials (Taylorsystem),56 b) daß der
Einzelne soweit als möglich zu sich selbst kommen solle. Die Auswahl soll einmal nach
Eignung erfolgen, dann zur Rechtfertigung der besonderen Lebensführung und der be-
sonderen Existenzbedingungen des Einzelnen. Jede Auswahl ist irgendwo ein großes Un-
recht. Man denkt sich, wenn man willentlich eingreift, man wolle das Unrecht vermei-
den. Indem man dies auf der einen Seite tut, führt man unvermeidlich neues Unrecht ein.
Vergegenwärtigen wir uns die Möglichkeiten einer direkten, bewußten Auswahl. Je-
denfalls nicht auswählbar und bestimmbar sind die großen Einzelnen. »So ist es ausge-
macht, daß, wenn auch das gewöhnliche Talent meßbar sein mag, das ungewöhnliche
nur schwer gemessen werden kann, das Genie vollends gar nicht.« (Grimm.)57 Es ist
für die Großen, welche immer zunächst im Gegensatz zu Umwelt und Zeit existieren,
wünschenswert, daß die Institutionen und Organisationen nicht ganz durchgreifend
werden, daß Lücken bleiben, daß noch ganz individuelle, unberechenbare Lebensläufe
möglich sind, daß Menschen noch auf eigene Gefahr Neues wagen können. Eine voll-
kommene Organisation und Auswahl aller Menschen, welche eine dauernd vorge-
schriebene Arbeit für die betreffenden Ziele mit sich brächte, würde bald zur chinesi-
schen Erstarrung58 führen. Der Geist könnte nicht mehr existieren. Alles würde absolut
und endgültig durch die Institutionen bestimmt.
Sehen wir von den großen Menschen ab, die die Härte des Daseins mehr als andere
zu spüren haben, die überall um ihre | Existenz kämpfen, da diese in keine vorgefun-
dene Form paßt, von diesen Menschen, die »von je verlästert und verbrannt«59 waren,
so bleibt doch die Frage der Auswahl als eine sinnvolle bestehen, sofern sie relative Er-
folge haben kann und sofern sie soziologisch einfach unvermeidlich ist. Es gibt fol-
gende Arten der bewußten Auslese:
1. durch Prüfungen oder Examina,
2. durch persönliche Auswahl seitens einer übergeordneten entscheidenden Per-
sönlichkeit,
3. durch Wahl von unten seitens einer formal begrenzbaren Gruppe von Men-
schen.
Examina haben eine grundsätzlich verschiedene Bedeutung, je nachdem sie ent-
weder als Zulassungsprüfungen entscheiden, ob jemand für einen Unterricht, ein Stu-
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zur wurzellosen Internationalität, zur unentschiedenen Konzilianz usw. je nach der
Schicht, die etwas bedeutet) entscheidend, nicht eine Geistigkeit schlechthin.
Wenn die soziologischen Verhältnisse einfach die Geburt endgültig die Auslese be-
stimmen lassen, so muß die Inadäquatheit zwischen Begabung und Beruf am größten
sein. Sie wird nur manchmal vermöge einer vollendeten, durch eine willentliche Insti-
tution nicht herstellbaren Erziehung zum Teil ausgeglichen. Demgegenüber steht die
Idee, die Auswahl solle nach Begabung geschehen, und diese müsse bei den Einzelnen
objektiv festgestellt werden, so daß die Auslese direkt und willentlich, nicht indirekt und
zufällig geschehe. Hierbei kann das entscheidende Motiv sein: a) die äußerste Ausnut-
zung und Verwertung eines gegebenen Menschenmaterials (Taylorsystem),56 b) daß der
Einzelne soweit als möglich zu sich selbst kommen solle. Die Auswahl soll einmal nach
Eignung erfolgen, dann zur Rechtfertigung der besonderen Lebensführung und der be-
sonderen Existenzbedingungen des Einzelnen. Jede Auswahl ist irgendwo ein großes Un-
recht. Man denkt sich, wenn man willentlich eingreift, man wolle das Unrecht vermei-
den. Indem man dies auf der einen Seite tut, führt man unvermeidlich neues Unrecht ein.
Vergegenwärtigen wir uns die Möglichkeiten einer direkten, bewußten Auswahl. Je-
denfalls nicht auswählbar und bestimmbar sind die großen Einzelnen. »So ist es ausge-
macht, daß, wenn auch das gewöhnliche Talent meßbar sein mag, das ungewöhnliche
nur schwer gemessen werden kann, das Genie vollends gar nicht.« (Grimm.)57 Es ist
für die Großen, welche immer zunächst im Gegensatz zu Umwelt und Zeit existieren,
wünschenswert, daß die Institutionen und Organisationen nicht ganz durchgreifend
werden, daß Lücken bleiben, daß noch ganz individuelle, unberechenbare Lebensläufe
möglich sind, daß Menschen noch auf eigene Gefahr Neues wagen können. Eine voll-
kommene Organisation und Auswahl aller Menschen, welche eine dauernd vorge-
schriebene Arbeit für die betreffenden Ziele mit sich brächte, würde bald zur chinesi-
schen Erstarrung58 führen. Der Geist könnte nicht mehr existieren. Alles würde absolut
und endgültig durch die Institutionen bestimmt.
Sehen wir von den großen Menschen ab, die die Härte des Daseins mehr als andere
zu spüren haben, die überall um ihre | Existenz kämpfen, da diese in keine vorgefun-
dene Form paßt, von diesen Menschen, die »von je verlästert und verbrannt«59 waren,
so bleibt doch die Frage der Auswahl als eine sinnvolle bestehen, sofern sie relative Er-
folge haben kann und sofern sie soziologisch einfach unvermeidlich ist. Es gibt fol-
gende Arten der bewußten Auslese:
1. durch Prüfungen oder Examina,
2. durch persönliche Auswahl seitens einer übergeordneten entscheidenden Per-
sönlichkeit,
3. durch Wahl von unten seitens einer formal begrenzbaren Gruppe von Men-
schen.
Examina haben eine grundsätzlich verschiedene Bedeutung, je nachdem sie ent-
weder als Zulassungsprüfungen entscheiden, ob jemand für einen Unterricht, ein Stu-
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