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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0123
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Die Idee der Universität [1923]

alles nur danach, was es für das Examen bedeutet; die Studienzeit empfindet er als pein-
liche Übergangszeit zur Praxis, von der er nunmehr das Heil erwartet; er erklärt, er sei
wohl zu dumm, verstehe das Wesentliche doch nicht und resigniere für einen Fachbe-
ruf; oder er übersteigert und entleert seinen früheren Enthusiasmus zu bloßer Schwär-
merei, wird in der eigentlichen Arbeit immer fauler, will die Idee, das Ganze, das Tief-
ste direkt erfassen ohne die ihm widerwärtige Mühe, in der er nur Unlebendiges,
Dürres, Unwichtiges zu ergreifen meint; er hält das Lesen einiger schöner Bücher für
wissenschaftliche Arbeit, und er verkehrt das Streben schließlich so sehr, daß er Erbau-
lichkeit statt Wissenschaft sucht und das Katheder als Kanzel ansehen möchte.
Den Einzelnen führt in glücklichen Fällen sein persönlicher Genius den rechten
Weg, d.h. einen Weg, der in sich Kontinuität, Entwicklung, Zielhaftigkeit hat. Zuletzt
gilt auch hier: am weitesten kommt, wer nicht weiß, wohin er geht.84 Eine analysie-
rende Betrachtung unter der Idee eines Ganzen kann niemandem den Weg direkt zei-
gen, das könnte nur ein Erzieher als Meister von Person zu Person beanspruchen. Aber
die Betrachtung kann die Möglichkeiten zeigen, kann Grenzen und Unterschiede
deutlich machen, Verwechslungen verhindern. Wer Wissenschaft will, wird auch hier,
in den Fragen der Führung, Auswahl, Ordnung und Zielsetzung seiner geistigen Ar-
beit, nachdenken, weil der Wille zum Wissen zugleich ein Wille zur Helligkeit im ei-
56 genen Tun, zur Klarheit der Methoden, zum Bewußtsein seiner selbst ist, und | ein
Wille gegen unkritisches Hinnehmen und bloße Gewohnheit, gegen Verschwommen-
heit und leere Schwärmerei. Dieses Streben für die geistige Existenz durch Klarheit zu
unterstützen, nicht zu lenken, dient eine analysierende Betrachtung.
Die wissenschaftliche Arbeit enthält drei Momente:
1. Die Arbeit im engeren Sinne besteht im Lernen und Üben, in der Erweiterung
des Besitzes an Wissen und der Beherrschung der Methoden. Sie ist die Grundlage
alles weiteren, sie bedarf am meisten der Disziplin und Ordnung, sie nimmt zeitlich
den größten Umfang ein, sie kann jederzeit willkürlich in Angriff genommen wer-
den. Durch sie schaffen wir uns die Mittel und Voraussetzungen, bilden wir unsere
Werkzeuge, durch sie gewinnen wir, wenn wir wissenschaftlich etwas Neues gefun-
den haben, den klaren Ausdruck, die methodische Kontrolle, die eigentliche Durch-
arbeitung und Verifikation dessen, was sonst bloßer Einfall bleibt. Diese Arbeit des
Fleißes kann niemand gering achten. Hier ist der gute Wille mächtig. Mit dieser Ar-
beit soll der Student sofort beginnen, wie er es auf der Schule gelernt hat. »Je früher
der Mensch gewahr wird, daß es ein Handwerk, daß es eine Kunst gibt, die ihm zur
geregelten Steigerung seiner natürlichen Anlagen verhelfen, desto glücklicher ist er.«
(Goethe.)85 Wer allerdings auf dieses Handwerkliche pochen wollte und dadurch al-
lein seiner Geistigkeit Wert geben möchte, wäre ein hoffnungsloser Pedant, im end-
los Stofflichen verloren. Ungeistigkeit und bloßer Fleiß wenden sich so in unedlem
Ressentiment wohl gegen wahre Geistigkeit, in der noch weitere Momente entschei-
dend wirksam sind.
 
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