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Die Idee der Universität [1923]
soph sozusagen Alleinherrscher sein, ist irrig. Jedes edle Streben muß die schärfste
Konkurrenz neben sich wünschen, dorthin drängen, wo die Bedeutenden und Über-
legenen sind. Und objektiv entfaltet sich der Einzelne besser und reicher in einer Luft,
die es ihm schwer macht, die ihn erregt, auch ärgert, ihn zur Reaktion und zur Anspan-
nung drängt. (Im Reiche des Geistes gelten andere Regeln als im Reiche der Politik, in
der Cäsar begreiflicherweise lieber in einem Dorfe der Erste als in Rom der Zweite sein
wollte.)106 Daß in Deutschland die Universitäten von den Ländern verwaltet werden
und dadurch mehrere konkurrierende verwaltende Zentralbehörden bestehen, ist ein
großer Vorzug, zumal der Geist des Partikularismus in der Auswahl der Persönlichkei-
ten kaum je zur Geltung kommt, vielmehr die Vermischung der deutschen Stämme
an den Universitäten, ihr gegenwärtiges geistiges Sichdurchdringen im Dienste einer
umfassenden abendländischen Idee heute noch das instinktiv erstrebte Ziel ist.
Verwaltung der Universitäten ist ein hoher Beruf. Wenn ich mir die Berufsidee ei-
nes Menschen, dem Universitäten anvertraut sind, zu vergegenwärtigen suche, so sehe
ich als Zentrum den Sinn für geistigen Rang, die Gesinnung der Pflege der geistig schaf -
77 fenden Menschen wie kostbare Pflanzen. Bei der Einstellung | innerer Unterordnung
unter die geistige Lebendigkeit, die nicht zu machen, nur zu finden und zu pflegen ist,
muß die Bereitschaft bestehen, bei Wirksamkeit unsachlicher Motive j edem auch ent-
gegentreten zu können. Die faktische große Macht des Verwaltungsbeamten darf, wo
es sich hier um die Pflege des Geistes handelt, der immer an Charakter und Existenz
der Persönlichkeiten geknüpft ist, nur so gebraucht werden, daß der sittliche Charak-
ter der Professoren und Beamten niemals angegriffen oder gar zertrümmert wird. Das
»System Althoff«,107 das in der Schaffung von Instituten und anderen materiellen Din-
gen den äußeren Glanz der Universitäten gewaltig hob, hat für immer dieses Odium
auf sich geladen, das System der Korruption der Professorencharaktere zu sein. Wenn
man mit Menschenverachtung an die Professoren herankommt, sie unwürdig behan-
delt, sie in Lagen bringt, in denen ihnen ein verwerfliches Verhalten nahegelegt wird,
wenn man Methoden der Politik in die Pflege der geistigen Welt trägt, so wird man
leicht die Menschen in der Richtung umformen, die den gehegten Erwartungen ent-
spricht. Bloßer Sinn für äußerliche, augenblicklich sichtbare Erfolge, Machtbewußt-
sein und die Eitelkeit, in der Macht anerkannt zu werden, Verlangen von Dankbarkeit
- das sind die eigentlichen Fehler beim Verwaltenden; Schmeichelei, Bereitwilligkeit,
sich das Rückgrat in der Jugend brechen zu lassen, um voranzukommen, die Fehler bei
den Professoren. Der Idee nach wendet sich bei Offenheit in der Behandlung der Sa-
chen der sittliche Charakter des Verwaltungsbeamten unter Voraussetzung hohen Ni-
veaus an den sittlichen Charakter im Professor und umgekehrt. Daß Enttäuschungen
häufig in dieser Welt sind, ist selbstverständlich. Aber der Geist einer Verwaltung wird
durch die Erwartungen und Ziele bestimmt, nicht durch die Fälle von Enttäuschung.
Der Geist einer Persönlichkeit, die die Universität verwaltet, ist dem Sinne nach ein
anderer als der der Professoren. Diese unpersönliche Sachlichkeit der gegenwärtigen
Die Idee der Universität [1923]
soph sozusagen Alleinherrscher sein, ist irrig. Jedes edle Streben muß die schärfste
Konkurrenz neben sich wünschen, dorthin drängen, wo die Bedeutenden und Über-
legenen sind. Und objektiv entfaltet sich der Einzelne besser und reicher in einer Luft,
die es ihm schwer macht, die ihn erregt, auch ärgert, ihn zur Reaktion und zur Anspan-
nung drängt. (Im Reiche des Geistes gelten andere Regeln als im Reiche der Politik, in
der Cäsar begreiflicherweise lieber in einem Dorfe der Erste als in Rom der Zweite sein
wollte.)106 Daß in Deutschland die Universitäten von den Ländern verwaltet werden
und dadurch mehrere konkurrierende verwaltende Zentralbehörden bestehen, ist ein
großer Vorzug, zumal der Geist des Partikularismus in der Auswahl der Persönlichkei-
ten kaum je zur Geltung kommt, vielmehr die Vermischung der deutschen Stämme
an den Universitäten, ihr gegenwärtiges geistiges Sichdurchdringen im Dienste einer
umfassenden abendländischen Idee heute noch das instinktiv erstrebte Ziel ist.
Verwaltung der Universitäten ist ein hoher Beruf. Wenn ich mir die Berufsidee ei-
nes Menschen, dem Universitäten anvertraut sind, zu vergegenwärtigen suche, so sehe
ich als Zentrum den Sinn für geistigen Rang, die Gesinnung der Pflege der geistig schaf -
77 fenden Menschen wie kostbare Pflanzen. Bei der Einstellung | innerer Unterordnung
unter die geistige Lebendigkeit, die nicht zu machen, nur zu finden und zu pflegen ist,
muß die Bereitschaft bestehen, bei Wirksamkeit unsachlicher Motive j edem auch ent-
gegentreten zu können. Die faktische große Macht des Verwaltungsbeamten darf, wo
es sich hier um die Pflege des Geistes handelt, der immer an Charakter und Existenz
der Persönlichkeiten geknüpft ist, nur so gebraucht werden, daß der sittliche Charak-
ter der Professoren und Beamten niemals angegriffen oder gar zertrümmert wird. Das
»System Althoff«,107 das in der Schaffung von Instituten und anderen materiellen Din-
gen den äußeren Glanz der Universitäten gewaltig hob, hat für immer dieses Odium
auf sich geladen, das System der Korruption der Professorencharaktere zu sein. Wenn
man mit Menschenverachtung an die Professoren herankommt, sie unwürdig behan-
delt, sie in Lagen bringt, in denen ihnen ein verwerfliches Verhalten nahegelegt wird,
wenn man Methoden der Politik in die Pflege der geistigen Welt trägt, so wird man
leicht die Menschen in der Richtung umformen, die den gehegten Erwartungen ent-
spricht. Bloßer Sinn für äußerliche, augenblicklich sichtbare Erfolge, Machtbewußt-
sein und die Eitelkeit, in der Macht anerkannt zu werden, Verlangen von Dankbarkeit
- das sind die eigentlichen Fehler beim Verwaltenden; Schmeichelei, Bereitwilligkeit,
sich das Rückgrat in der Jugend brechen zu lassen, um voranzukommen, die Fehler bei
den Professoren. Der Idee nach wendet sich bei Offenheit in der Behandlung der Sa-
chen der sittliche Charakter des Verwaltungsbeamten unter Voraussetzung hohen Ni-
veaus an den sittlichen Charakter im Professor und umgekehrt. Daß Enttäuschungen
häufig in dieser Welt sind, ist selbstverständlich. Aber der Geist einer Verwaltung wird
durch die Erwartungen und Ziele bestimmt, nicht durch die Fälle von Enttäuschung.
Der Geist einer Persönlichkeit, die die Universität verwaltet, ist dem Sinne nach ein
anderer als der der Professoren. Diese unpersönliche Sachlichkeit der gegenwärtigen