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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0170
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Vom lebendigen Geist der Universität

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bar Geltende und doch uns Gewohnte fiel zusammen, wie staubgewordene Holzfiguren,
die das Rütteln nicht mehr aushalten.
Man wird sagen dürfen: Der Erfolg dieser Kritik offenbarte drastisch die Mängel
im geistigen Leben unserer Universität. Aber diese Kritik war von den Nationalsoziali-
sten nicht erfunden, sondern vergröberte Wiedergabe unserer Selbstkritik. Und diese
Leute | hatten kein Recht zu dieser Kritik, weil sie in ihrem Munde ein einziger Schwin- 204
del war.
Denn es wurde zwar scheinbar von den Nationalsozialisten vieles Gute und daher
längst Geforderte verlangt: Nähere Berührung der Fakultäten; Synthese der Wissen-
schaften; weltanschaulicher Ernst als Grundlage alles Wissenwollens; Aufgeschlos-
senheit für das Volk und die große Geschichte; Verehrung der großen Persönlichkei-
ten. Alles vortreffliche Forderungen, von denen sich viele bezaubern ließen wie Kinder
vom Rattenfänger in Hameln. Aber diese Forderungen blieben eine Mimikry des Wah-
ren. Es kam auch nicht ein Ansatz zu eigener positiver Leistung. Mehr noch, die Na-
tionalsozialisten taten das Gegenteil von dem, was sie forderten. An Stelle von Einsicht
trat Gerede, das beliebig wechselte. An Stelle von Weltanschauung ein Ragout von al-
len möglichen leicht verständlichen Sätzen, beliebig aufgegriffen aus Dichtern und
Denkern, aus Nietzsche, besonders aus der Literatur des Rassenwahns. Geistige Zucht
ging vollends verloren, ebenso Kenntnisse und Überlieferung. Die Zuchtlosigkeit ver-
barg sich unter forschem Sprechen. Die Unbegabten und die Charakterlosen an den
Universitäten sahen ihre Zeit gekommen. Wir dürfen diesen Strom geistiger Verwahr-
losung an unseren Universitäten nicht leugnen. Wir haben, jeder in sich selbst, zu prü-
fen, ob und wo wir in Motiven unseres Denkens einmal diesen Zusammenhängen nahe
gekommen sind. Aber wir dürfen ebenso entschieden behaupten, weil wir es wissen,
daß in der Stille Einzelne an den Universitäten in allen Stellungen (von alten Profes-
soren bis zu jungen Assistenten und Studenten) da waren, die unbeirrt durch die Jahre
gegangen sind.
Die nationalsozialistische Vergewaltigung hat aufgehört. Der freien Forschung ist
wieder Raum ge|geben. Unbefangene Auseinandersetzung ist wieder erlaubt und ge- 205
fordert.

Aufgabe der Universitätserneuerung
Aber damit sind uns nur Möglichkeiten eröffnet. Solange diese nicht mit Wirklichkei-
ten erfüllt werden, ist keine Erneuerung. Noch ist nichts geleistet. Was ist unsere Auf-
gabe?
Aus unserer Treue zur Humboldtzeit erstreben wir in den Formen unserer Institu-
tionen keine radikale Neuschöpfung; wir stellen sie her im Sinne einer konservativen
Revolution.178 Aber wir wissen auch: die für uns klassische Zeit der deutschen Univer-
sität können wir nicht wiederherstellen. Alle soziologischen, staatlichen, persönlichen
 
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