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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0172
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Vom lebendigen Geist der Universität

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Dann kann eine Verwandlung eintreten, die wie eine Umschmelzung unseres We-
sens ist, uns von Unwahrheit und Verkehrungen befreit, von Überflüssigem und We-
sensfremdem.
Die Universität hat diese Umschmelzung im Medium des Forschens zu vollziehen.
Wir erwarten eine Erneuerung unseres Denkens vor allem durch die Leistung derer, die
in der Stille ihr Wesen vorbereitet haben. Es gibt sie unter denen, die noch nicht studie-
ren konnten oder die von der Forschung ferngehalten wurden durch den Kriegsdienst;
es gibt sie unter den Abseitigen, die entweder an den Universitäten ihre Arbeit unbeach-
tet fortsetzen konnten, oder die, obgleich ausgeschlossen, doch der Vernichtung ent-
gingen hier im Lande oder in der Emigration. Es wird sie vor allem auch geben unter de-
nen, die in einer Wiedergeburt ihres Denkens das Wahre vielleicht gerade darum um so
tiefer erfassen, weil sie dem Irrtum verfallen waren. An Sie alle, die Sie studieren, geht
der Anspruch, teilzunehmen am Hervorbringen unseres neuen geistigen Deutschlands.
Was wissenschaftlich sichtbar werden wird, kann zwar niemand vorher wissen.
Wenn wir an die für uns dringendsten geistigen Aufgaben denken, dürfen wir vielleicht
folgende Arbeitsrichtungen voraussagen:
Erkenntnis der soziologischen und politischen Wirklichkeit unseres Zeitalters, um 208
zu wissen, wo wir stehen. Universalgeschichtliche Anschauung, um hinzugelangen zu
dem Ursprung des Menschseins im Ganzen.
Herausarbeitung einer wahren Naturanschauung, negativ durch Säuberung von
dem Wahn biologischer Weltanschauungen oder materialistischer Plattheiten, posi-
tiv durch weltanschauliche Aneignung der Teilnahme an den großartigen, seit Jahr-
zehnten sich ungeahnt entfaltenden Naturwissenschaften.
Hingegebenes Studium unserer tausendjährigen deutschen Vergangenheit. Statt
Vielwisserei und historischer Ableitungen die Vertiefung in das wirklich Große z.B. in
Dichtung und Philosophie (in Goethe und Kant, Nicolaus Cusanus, Lessing), die Welt
der Ottonen, in die schweizerischen und niederländischen Freiheitskämpfe und Staats-
bildungen, in das Scheitern der großen Entwürfe des Freiherrn vom Stein,179 Gneisen-
aus,l8° Humboldts.
Die Ausbildung eines deutschen Geschichtsbildes, das anknüpft an das Gute un-
serer Überlieferung und das die Idole durchschaut, ist nicht zu gewinnen in bequemer
Umkehrung bisheriger Wertungen, sondern ist zu erarbeiten durch Forschung.
Kehren wir zurück aus solcher unvollständigen Vielfalt der Aufgaben zum Blick auf
das Ganze der Universität.
Der Geist ist nicht lebendig als abgesonderte Liebhaberei, nicht als weltfremde Be-
schäftigung. Er erwächst aus der allverbindenden Sprache, aus den gemeinsamen Er-
fahrungen, aus der unvordenklichen, wirksam gegenwärtigen Erinnerung eines Vol-
kes. Aber er erwächst diesem Grunde in der Einsamkeit des Studiums und Forschens.
Hier fließt die Quelle des eigentlich Gemeinsamen, wenn nicht neurotische Isolie-
rungsneigung, sondern Befreiung für das Hören des | Ursprungs dahin drängt. Erst aus 2°9
 
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