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Vom lebendigen Geist der Universität
216 Über den Erdball verbindet uns, daß wir Menschen | sind in dieser Selbsterziehung
lebendigen Geistes, die uns zueinander führt.
Als ich die Worte meiner früheren Schülerin las, dachte ich an ein Gespräch aus je-
ner Zeit vor zwanzig Jahren: Ein Kollege brauchte zu mir die unfreundlich gemeinte
Wendung, ich hätte doch eigentlich gar keine Schüler - nämlich im Sinne der Schu-
len von Professorenphilosophie - und ich gab damals eine übermütige Antwort: In der
Tat, sagte ich, meine Schüler haben nur ein Gemeinsames: daß jeder er selber ist und
kein Schüler.191 So möchte ich es auch in Zukunft halten. Wir wollen, Lehrer und Schü-
ler, uns erziehen zum Selbstdenken, zum besonnenen Denken, zur offenen Vernunft,
zur liebenden Hellsicht für das eigentlich Menschliche.
Dafür brauchen wir keinen materiellen Reichtum. Arm sein, ohnmächtig die Ab-
hängigkeit von Siegermächten fühlen, - das zwingt uns zwar zur Bescheidenheit und
würde jeden Machtwillen in uns zum Gift für uns werden lassen. Es zwingt uns aber
nicht zur Bescheidenheit im Geiste. Werden wir nicht kleinmütig, - lassen wir uns
nicht herabdrücken auf einen bloßen Schulbetrieb, suchen wir vielmehr die Wahrheit
tiefer zu fassen, weitherziger zu verwirklichen, als es seit Jahrzehnten in Deutschland
geschehen ist, - halten wir uns hier zum Höchsten berufen, - spüren wir den Antrieb
unseres Leidens, - gehen wir an Studium und Forschung mit fernsten Zielen, - verlan-
gen wir möglichst wenig von außen, sondern bringen wir es hervor von innen - aber
von vornherein bedacht auf die Ordnung unserer gemeinschaftlichen Verhältnisse,
auf eine Atmosphäre von Redlichkeit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit, gesichert
durch Institutionen, die wir jetzt neu in Kraft setzen müssen.
217 | Der lebendige Geist, der uns dahin trägt, kennt die Einsamkeit als unerläßlichen,
immer wieder gesuchten Durchgang, aber er geht auf Kommunikation. Denn Wahr-
heit ist, was uns miteinander verbindet.
Vom lebendigen Geist der Universität
216 Über den Erdball verbindet uns, daß wir Menschen | sind in dieser Selbsterziehung
lebendigen Geistes, die uns zueinander führt.
Als ich die Worte meiner früheren Schülerin las, dachte ich an ein Gespräch aus je-
ner Zeit vor zwanzig Jahren: Ein Kollege brauchte zu mir die unfreundlich gemeinte
Wendung, ich hätte doch eigentlich gar keine Schüler - nämlich im Sinne der Schu-
len von Professorenphilosophie - und ich gab damals eine übermütige Antwort: In der
Tat, sagte ich, meine Schüler haben nur ein Gemeinsames: daß jeder er selber ist und
kein Schüler.191 So möchte ich es auch in Zukunft halten. Wir wollen, Lehrer und Schü-
ler, uns erziehen zum Selbstdenken, zum besonnenen Denken, zur offenen Vernunft,
zur liebenden Hellsicht für das eigentlich Menschliche.
Dafür brauchen wir keinen materiellen Reichtum. Arm sein, ohnmächtig die Ab-
hängigkeit von Siegermächten fühlen, - das zwingt uns zwar zur Bescheidenheit und
würde jeden Machtwillen in uns zum Gift für uns werden lassen. Es zwingt uns aber
nicht zur Bescheidenheit im Geiste. Werden wir nicht kleinmütig, - lassen wir uns
nicht herabdrücken auf einen bloßen Schulbetrieb, suchen wir vielmehr die Wahrheit
tiefer zu fassen, weitherziger zu verwirklichen, als es seit Jahrzehnten in Deutschland
geschehen ist, - halten wir uns hier zum Höchsten berufen, - spüren wir den Antrieb
unseres Leidens, - gehen wir an Studium und Forschung mit fernsten Zielen, - verlan-
gen wir möglichst wenig von außen, sondern bringen wir es hervor von innen - aber
von vornherein bedacht auf die Ordnung unserer gemeinschaftlichen Verhältnisse,
auf eine Atmosphäre von Redlichkeit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit, gesichert
durch Institutionen, die wir jetzt neu in Kraft setzen müssen.
217 | Der lebendige Geist, der uns dahin trägt, kennt die Einsamkeit als unerläßlichen,
immer wieder gesuchten Durchgang, aber er geht auf Kommunikation. Denn Wahr-
heit ist, was uns miteinander verbindet.