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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0193
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Ii8 Die Idee der Universität [1946]
spezialistischen Wissens bei Menschen, denen im Ganzen Unwissenheit und Blind-
heit eigen war, der Betrieb der Wissenschaften als ein Massenphänomen mit dem stän-
digen Entgleisen in den Endlosigkeiten des bloß Richtigen, die Aufhebung des Sinns
von Wissenschaft in diesem Betrieb und zugleich dessen Nutzlosigkeit für Lebens-
zwecke, dies alles machte den Selbstzweck der Wissenschaft verdächtig.
Die Redewendung vom Selbstzweck hat einen schlechten Ruf. Die sogenannte Kri-
sis der Wissenschaft212 führte zur Leugnung des Sinns der Wissenschaft. Man hat ge-
sagt: Wissenschaft läßt sich zu allem brauchen; Wissenschaft ist eine Hure; Wissen-
schaft läßt das Gemüt leer, ist ein lebensfremder Betrieb, ein Hin- und Herfahren von
Schutt.
Gegen diese Anklagen ist zu sagen, daß sie Entartungen der Wissenschaft, Pseudo-
wissenschaft treffen, aber nicht das ursprüngliche Wissenwollen. Aus diesem heraus
ist zu bekennen: wenn die Erkenntnis im Mittelalter im Gottschauen endete, wenn He-
gel das Denken seiner Logik in allem Ernst Gottesdienst nannte,213 wenn sogar noch
der Positivist im Erkennen das Unerkennbare anerkennend stehen ließ, so kann auch
uns heute Wahrheit etwas Erfüllendes sein. Radikaler zwar als je wird darüber nachge-
dacht, was Wahrheit sei. Daß aber Wahrheit allein den Sinn unseres Wesens bringe,
auch wenn wir nicht endgültig wissen, was sie ist und wohin sie führt, - daß es nichts
gibt, das wir nicht untersuchen möchten, - daß vor allem unser Leben im Denken ei-
nen eigenen Grund sucht - dieses ist heute noch lebendig. Es ist ein Wesenszug des
Menschen durch die Jahrtausende, weder psychologisch noch soziologisch eigentlich
zu fassen, ein signum seiner höheren Abkunft.
Zu diesem Denken ist Wissenschaft der unumgängliche Weg. Diese echte Wissen-
schaft aber bedarf weiterer Klärung ihres Wesens.

22

15. Voraussetzungen der Wissenschaft

Das Wort von der Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft ist geprägt als Kampfruf
gegen Einschränkungen, die dem Erkennen durch unbefragbare dogmatische Positio-
nen aufgezwungen werden sollten.214 Voraussetzungslosigkeit bedeutete die rechte For-
derung: man dürfe nicht vorher festlegen, wohin die Erkenntnis führen solle; man
dürfe dem Fragen keine Grenze setzen; man dürfe keine Sache für unberührbar durch
Forschung erklären (Wissenschaft kennt kein tabu); man dürfe dem, was sich als zwin-
gend richtig zeige, nicht ausweichen.
Jedoch ist in der Tat keine Wissenschaft voraussetzungslos.215 Nur gehört es zum Cha-
rakter wissenschaftlicher Selbstkritik, diese Voraussetzungen zu erkennen und zu klären.
Rein rational ist daher jede Wissenschaft ein Versuch, der sich selber als unter den und
den Voraussetzungen sinnvoll und konsequent begreift. Diese Voraussetzungen sind:
a) Die Regeln der Logik: Es ist zu denken und zu erkennen unmöglich, wenn der Satz
des Widerspruchs geleugnet wird. Im Wesen des Denkens liegt die Anerkennung die-
 
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