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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0234
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Die Idee der Universität [1946]

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1. Die Einteilung der Wissenschaften
Da der Kosmos der Wissenschaften nicht in der Praxis begründet ist, sondern in der
Philosophie, ist er wirksam an der Universität, soweit ein philosophisches Bewußtsein
alles durchdringt.
Seitdem die Einheit des Wissens als Idee ergriffen wurde, ist sie in den Einteilun-
gen der Wissenschaften zur Erscheinung gekommen. Es liegen zahlreiche Schemata
solcher Einteilungen vor. Keine ist als die wahre schlechthin gültig und durchschla-
gend. Nur wenn im Hochgefühl, die Wahrheit im Ganzen gewonnen zu haben, ein ab-
solutes Wissen sich seiner gewiß zu sein meinte, konnte auch eine Einteilung der Wis-
senschaften als die eigentliche und vermeintlich endgültige festgestellt werden.
Mit jedem Zusammenbruch aber eines solchen Absoluten als einer endgültig in der
Welt erfaßten Gestalt mußte die Neugestaltung sich der mannigfachen Beziehungs-
punkte bewußt werden, unter denen Einteilungen der Wissenschaften einen relativen
Sinn haben. Es ist die Befreiung des Erkennens: das Wissen wird Bildungsmoment
nicht mehr durch ein festes Weltbild, durch keine Ontologie, sondern durch die Of-
fenheit des Wissenkönnens in allen möglichen Richtungen.
Unter der falschen Voraussetzung einer einzigen schon bestehenden richtigen Wis-
senschaftseinteilung verfährt man bei der Erörterung der Stellung einer Wissenschaft
so, als ob man sie durch Bezüge auf solche festen Punkte begrenzen und lokalisieren
könne. Wenn man dagegen aus dem Gehalt einer Wissenschaft ihre Stellung im Gan-
zen fühlbar machen will, so führt der Weg in die Tiefe, aus der heraus diese eine Wis-
senschaft wie ein Kosmos im Kleinen, wie eine Repräsentanz des Wissens überhaupt
erscheinen kann. Denn es gibt kaum einen gehaltvollen Gegenstand, der nicht
schließlich in der Gesamtheit des Wissens aufgehoben wäre, dadurch, daß von über-
all her Licht auf ihn fällt, oder ebensosehr umgekehrt, daß von ihm her auch alles an-
dere Wissen aufleuchtet.
Einteilungen der Wissenschaften pflegen auszugehen von umfassenden Gegensät-
zen; man teilt etwa ein:
| Theoretische und praktische Wissenschaften: Die theoretischen gehen ohne Zweck 76
auf die Sache selber, die praktischen auf die Anwendbarkeit für einen zu verwirklichen-
den Zweck in der Welt.
Erfahrungswissenschaften und reine Vernunftwissenschaften: Die Erfahrungswissen-
schaften gehen auf reale Gegenstände in Raum und Zeit; die reinen Vernunftwissen-
schaften auf ideale Gegenstände, die der Erkennende begreift, indem er sie konstru-
iert. Die Mathematik hat ihre einzigartige Stellung als Wissenschaft von idealen
Gegenständen.
Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften: Die Realität der Erfahrungswissen-
schaften ist entweder von außen ergriffen wie die Materie, oder von innen verstanden,
wie der Geist. Die Naturwissenschaften erklären von außen durch Kausalgesetz oder
 
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