Die Idee der Universität [1946]
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Versorgung mit Wasser, Gas, Strom, alle diese Dinge, die unsere moderne, gegen alle
frühere völlig verwandelte Umwelt ausmachen, alles dies ist zusammengehalten nicht
bloß durch Zweckmäßigkeit und durch die Naturwissenschaften als das Mittel, son-
dern durch eine Grundidee der Daseins formung.
Aber weder solche Daseinsformung noch der umfassende Betrieb ihrer Instandhal-
tung und Erweiterung hat sich heute zu einer geordneten und stetigen Gestalt verwirk-
licht. Der ruhe | lose Gang der Verwandlung mit der technischen Riesenarbeit läßt den 86
Menschen heute taumeln zwischen Begeisterung und Ratlosigkeit, zwischen märchen-
haftem Können und simpelstem Versagen.
Es ist, als ob alles darauf warte, hineingenommen zu werden in den einen Strom
der technischen Ordnung, der für uns historisch nicht zureichend begreiflich fast
plötzlich vor hundertundfünfzig Jahren zu fließen begann und bis heute noch immer
steigend allüberflutend anschwolL Jetzt ist uns zumute, daß dieses ungeheure Phäno-
men aus metaphysischem Ursprung kommen muß und fordert, daß alles in seinen
Sinn eintreten soll, wenn es leben will. Es ist, als ob etwas erwachen müßte, was noch
immer im Halbschlummer liegt oder was durch den Vordergrund des technischen Ein-
zelkönnens bis jetzt noch zum Schweigen veranlaßt wurde oder was in dunklem Be-
wußtsein Entsetzen und Ablehnung erzeugte (in Goethe und J. Burckhardt).
Vielleicht ist das Heil des Geistes, dem die Universität dient, und das Heil der Tech-
nik davon abhängig, daß beide sich treffen. Vielleicht würde der Technik und der
durch sie entstandenen Zerstreutheit eine Durchseelung mit Sinn und Ziel zuteil; viel-
leicht würde aus der Universitätsidee eine Offenheit, Wahrhaftigkeit und Gegenwär-
tigkeit möglich, in der diese Idee sich bewährt, indem die Universität selber sich eine
neue Gestalt gibt.
Nur dann, wenn ein neuer Aufschwung der alten Universitätsidee in den Forschern
die Größe der Aufgabe fühlbar macht, ist eine Hoffnung, daß die Eingliederung der
technischen Hochschule als technische Fakultät fruchtbar würde.255 Nur dann, wenn
der Antrieb, der dazu führt, in allen Fakultäten sich auswirkte, würde mit der Einglie-
derung zugleich eine geistige Erneuerung der ganzen Universität erfolgen, von der die
Eingliederung der technischen Fakultät nur ein Teil wäre. Die Größe der Aufgabe, das
ist die Schaffung des wirklich umfassenden Bewußtseins des Zeitalters, seines Wissens
und Könnens, ist die Verwandlung zur zukünftigen Universität.
Daher würden mit der Eingliederung der Technik zugleich andere Strukturände-
rungen unbedingt notwendig, vor allem die Wiederherstellung der Einheit der alten
philosophischen Fakul|tät, die Aufhebung der Spaltung in die naturwissenschaftliche 87
und geisteswissenschaftliche Fakultät. Nur in ihrer Einheit wird sie den Kosmos aller
theoretischen Grundwissenschaften mit der Kraft verwirklichen, die den im Umfang
vermehrten und an Wucht gesteigerten praktischen Fakultäten das Gleichgewicht hal-
ten kann. Dann ist die Gefahr verringert, daß etwa eine weiter isoliert bestehende na-
turwissenschaftliche Fakultät sich langsam an Technik und Medizin verliert und die
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Versorgung mit Wasser, Gas, Strom, alle diese Dinge, die unsere moderne, gegen alle
frühere völlig verwandelte Umwelt ausmachen, alles dies ist zusammengehalten nicht
bloß durch Zweckmäßigkeit und durch die Naturwissenschaften als das Mittel, son-
dern durch eine Grundidee der Daseins formung.
Aber weder solche Daseinsformung noch der umfassende Betrieb ihrer Instandhal-
tung und Erweiterung hat sich heute zu einer geordneten und stetigen Gestalt verwirk-
licht. Der ruhe | lose Gang der Verwandlung mit der technischen Riesenarbeit läßt den 86
Menschen heute taumeln zwischen Begeisterung und Ratlosigkeit, zwischen märchen-
haftem Können und simpelstem Versagen.
Es ist, als ob alles darauf warte, hineingenommen zu werden in den einen Strom
der technischen Ordnung, der für uns historisch nicht zureichend begreiflich fast
plötzlich vor hundertundfünfzig Jahren zu fließen begann und bis heute noch immer
steigend allüberflutend anschwolL Jetzt ist uns zumute, daß dieses ungeheure Phäno-
men aus metaphysischem Ursprung kommen muß und fordert, daß alles in seinen
Sinn eintreten soll, wenn es leben will. Es ist, als ob etwas erwachen müßte, was noch
immer im Halbschlummer liegt oder was durch den Vordergrund des technischen Ein-
zelkönnens bis jetzt noch zum Schweigen veranlaßt wurde oder was in dunklem Be-
wußtsein Entsetzen und Ablehnung erzeugte (in Goethe und J. Burckhardt).
Vielleicht ist das Heil des Geistes, dem die Universität dient, und das Heil der Tech-
nik davon abhängig, daß beide sich treffen. Vielleicht würde der Technik und der
durch sie entstandenen Zerstreutheit eine Durchseelung mit Sinn und Ziel zuteil; viel-
leicht würde aus der Universitätsidee eine Offenheit, Wahrhaftigkeit und Gegenwär-
tigkeit möglich, in der diese Idee sich bewährt, indem die Universität selber sich eine
neue Gestalt gibt.
Nur dann, wenn ein neuer Aufschwung der alten Universitätsidee in den Forschern
die Größe der Aufgabe fühlbar macht, ist eine Hoffnung, daß die Eingliederung der
technischen Hochschule als technische Fakultät fruchtbar würde.255 Nur dann, wenn
der Antrieb, der dazu führt, in allen Fakultäten sich auswirkte, würde mit der Einglie-
derung zugleich eine geistige Erneuerung der ganzen Universität erfolgen, von der die
Eingliederung der technischen Fakultät nur ein Teil wäre. Die Größe der Aufgabe, das
ist die Schaffung des wirklich umfassenden Bewußtseins des Zeitalters, seines Wissens
und Könnens, ist die Verwandlung zur zukünftigen Universität.
Daher würden mit der Eingliederung der Technik zugleich andere Strukturände-
rungen unbedingt notwendig, vor allem die Wiederherstellung der Einheit der alten
philosophischen Fakul|tät, die Aufhebung der Spaltung in die naturwissenschaftliche 87
und geisteswissenschaftliche Fakultät. Nur in ihrer Einheit wird sie den Kosmos aller
theoretischen Grundwissenschaften mit der Kraft verwirklichen, die den im Umfang
vermehrten und an Wucht gesteigerten praktischen Fakultäten das Gleichgewicht hal-
ten kann. Dann ist die Gefahr verringert, daß etwa eine weiter isoliert bestehende na-
turwissenschaftliche Fakultät sich langsam an Technik und Medizin verliert und die