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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0271
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Die Idee der Universität [1946]

Die abendländische Idee der Universität kann ein Volk nicht für sich als sein Eigen-
tum beanspruchen. Aber es darf auf Grund seiner geistigen Vergangenheit sich mit
mehr oder weniger Bewußtsein unter diesen Anspruch stellen. Unsere deutschen Uni-
125 versitäten haben sich von jeher manche politische | Entgleisungen wie wohl alle Uni-
versitäten der Welt zuschulden kommen lassen. Soweit aber sie oder ihre Glieder in
den letzten zwölf Jahren sich in ihrer geistigen Arbeit und in Handlungen zu Anpas-
sungen und Umbiegungen haben zwingen lassen oder gar aus unbegreiflicher Über-
zeugung an den Kräften des Regimes fördernd teilgenommen haben, sind sie bedin-
gungslos zu verurteilen, vor allem auch wegen des dadurch begangenen Verrats an der
Universitätsidee.277 Die hohe Überlieferung der deutschen Universitäten seit dem
18. Jahrhundert ist sowohl der Maßstab dieser Verurteilung als auch die Quelle des Ver-
trauens, daß wir aus unserem Ursprung uns wiederherstellen können, um mitzuwir-
ken an dem Offenbarwerden der Wahrheit in der Welt. Unser deutsches Bewußtsein
an der Universität ist die Anerkennung des Anspruchs, der an uns aus unserer besten
Überlieferung ergeht, die weltoffen die abendländische und Menschheitsüberlieferung
in sich aufgenommen hatte.
7. Die einzelne Universität
In der Geschichte sind die großen geistigen Epochen auf den deutschen Universitäten
meistens von einer einzelnen Universität eingeleitet worden, so war es anfangs des
18. Jahrhunderts Halle, dann Göttingen, dann gegen Ende des Jahrhunderts Jena, dann
zu Beginn des 19. Jahrhunderts das neugegründete Berlin. Es gibt einen Geist der ein-
zelnen Universität, einen Genius loci,105 der als Hintergrund eine geschichtliche At-
mosphäre hat, aber jederzeit lebendig sein und neugeschaffen werden muß.
Wenn die hohe Blüte des Universitätslebens von einer Universität auszugehen
pflegt, so scheint die staatliche Verwaltung, wenn sie viele Universitäten zugleich be-
treut, sich demgegenüber neutral zu verhalten.
Es kann von großem Vorteil sein, wenn eine Universität und nicht viele zugleich
der Gegenstand der Fürsorge eines hochsinnigen Mannes sind. Sofern in einer Zeit
überhaupt die Bedingungen dafür gegeben sind, kann er eine einzelne Universität
durch Pflege der schaffenden Kräfte zu besonderer Blüte bringen. Dann vermag die
Anziehungskraft eines Ortes für junge Menschen, für Dozenten und Studenten so groß
zu werden, daß eine schöpferische Zeit an dieser Universität anbricht, weil die besten
Kräfte sich hier vereinen.
126 | Der Agon an den Universitäten und der Agon der Universitäten untereinander
ist ein Ansporn zur Anstrengung der Kräfte, zumal mehrere zugleich hohen Rang
und jede in der Rangordnung irgendwo ihren einzigartigen Wert haben können. Der
Gedanke, man solle die Männer von Rang verteilen, weil sie dann mehr zur Geltung
kämen, der Gedanke etwa insbesondere für die Philosophie, an einer Universität
 
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