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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0273
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Die Idee der Universität [1946]

wähl geschah aus einer zwar »plutokratisch« begrenzten, aber doch relativ großen
Masse von Menschen. Die Studenten lebten von dem Wechsel, den ihnen Eltern oder
Verwandte gaben. Früher war es anders gewesen, und heute wird es wieder ganz an-
ders. Im Mittelalter und heute noch zum Teil in Amerika ruhen die Universitäten auf
Stiftungen. Das wäre, richtig verwirklicht, eine ideale Unabhängigkeit. In der Gegen-
wart hat die Zerstörung des deutschen Wohlstands, insbesondere die Expropriation
der Mittelschicht, die Existenzmöglichkeit auf ein Minimum reduziert. Das Entschei-
dende ist, ob Forschung und Studium überhaupt leben können. Mit reduzierten Mit-
teln können sie sich einrichten, unter einem Minimum tritt einfach das Ende ein. Es
gilt für den einzelnen wie für die Universität Nietzsches Wort: es sei kein großer Un-
terschied, ob einer 300 oder 3000 Taler Renteneinkommen habe, jedoch sei es ein die
Existenz entscheidender Unterschied, ob er nichts oder 300 Taler habe.98 Das Ökono-
mische ist eine Gegebenheit. Die staatlichen Mittel, soweit mit ihnen zu helfen ist,
können wohl bei Kulturgesinnung der Staatsmacht - zumal es sich um einen im
gesamten Staatsbudget verschwindenden Prozentsatz handelt - bewilligt werden.
Aber die breite Schicht von Rentenempfängern, die materielle Existenzmöglichkeit
für Studenten und Privatdozenten, das sind Gegebenheiten gewesen, die nun verlo-
ren sind. Der Verlust wird unausweichlich Konsequenzen für die Auslese des Nach-
wuchses haben.

2. Die Studenten
Wieweit sich Studenten noch selbst helfen können, zum Teil durch äußerste Beschei-
ds denheit mit geringen Monatswechseln, | die der Vater von seinem Gehalt abzieht oder
die sonst irgendwie aufgebracht werden, und durch eigene Arbeit, die jedoch in der
Mehrzahl der Fälle eine Erschwerung des Studiums bedeutet, das ist noch nicht end-
gültig zu beurteilen. Es wird nicht weit reichen. Der Gedanke, den notwendigen Nach-
wuchs an Beamten, Lehrern, Ärzten später durch Stipendien des Staates an Studierende
zu sichern, würde an dem unlösbaren Problem der Auslese die größten Schwierigkei-
ten haben. Aber es wird geleistet werden müssen. Bisher beruhte die Auslese auf dem
eigenen Willen der Studenten. Wem die geistige Durchbildung Entscheidendes bedeu-
tet, wagt mehr dafür und legt sich größere Entbehrungen auf. Mit der Abhängigkeit
vom Stipendium aber fällt die Freiheit, entscheiden überwiegend Schulzeugnisse und
Strebereigenschaften des Durchschnittsmenschen.
3. Die Dozenten
Ebenso gefährlich liegt die Situation für den Nachwuchs der Dozenten. Wenn der
Privatdozent vom Staate ein Existenzminimum bekommt, ist der numerus clausus
für Habilitationen unvermeidlich, ist die Rücksicht auf Bedürfnisfragen, deren man
 
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