Das Doppelgesicht der Universitätsreform
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Humboldt in seinen Denkschriften und Verwaltungsakten bei der Begründung der Uni-
versität Berlin getan.349
Voraussetzung allen wesentlichen Tuns an der Universität durch die Forschenden,
Lehrenden, Lernenden (und der reformierenden Professoren und Staatsmänner) ist
diese von anderswoher kommende Idee der Wahrheit selber. Sie allein gibt den Ernst.
Sie allein gibt den Maßstab, der nicht ein verstandesmäßig festgesetzter Begriff ist, son-
dern in der Bewegung liegt, die jeden Sinn von Wahr sein ergreift. Mancher Jüngling,
der zur Universität kommt, betritt wohl zuerst, beschwingt von dem Enthusiasmus der
Vernunft, von der Macht der Wahrheit, von der Idee, die er ahnt, schon die Gebäude
der Universität in einer ihn über den Dunstkreis des Alltäglichen hinaushebenden
Stimmung. Zumal dort, wo der geschichtliche Grund mit sichtbaren Bauten und Zei- 90
chen gegenwärtig ist, hat er wohl das in seiner Nüchternheit verborgene Bewußtsein,
in einen gleichsam heiligen Raum einzutreten.350 In diesem erwartet er die Sprache der
Wahrheit zu hören, die aus allen Zeiten von den Griechen her und in der großartigen
Weise der modernen Wissenschaften zu ihm dringt.
Mag die Realität anders als diese Schilderung aussehen, mag die Universität als eine
nützliche, zum Erwerb von Berechtigungen durch Examina erstrebte Schule erschei-
nen, mag sie höchst unheilig, betriebsam, zerstreuend und durch ein Gestrüpp unbe-
quemer Formalitäten lästig sein - diese Realitäten lassen sich nicht leugnen. Aber nur
die, die unvorbereitet und nicht entflammt vom Funken der Wahrheit sind, sehen
nichts als nur dies. Die anderen treten ein mit der Erwartung jener höheren Autorität.
Sie lassen sich nicht täuschen durch den sich aufdrängenden realen Vordergrund. Sie
finden, was sie suchen, durch ihr eigenes Tun, durch die Weise ihres Studierens, durch die
Fülle der sich ihnen darbietenden Mittel. Vielleicht sehen sie es hier und da in Profes-
soren, deren Dasein, Forschung, Einsicht, Sprache sie anzieht und ihnen bestätigt, was
sie suchen. Wenn sie es aber nicht wiedererkennen, so hat es doch sein Leben dadurch,
daß sie es selbständig von neuem hervorbringen. Und sie werden die Professoren, ohne
sie viel zu schelten, schweigend anblicken mit der Forderung: Rettet die Idee eures We-
sens, daß ihr Vorbild für uns sein könnt.
Das ist die Stärke dieses Ursprungs: Er ist da, wenn der Funke gezündet hat, und ist dann
untilgbar. Das ist seine Schwäche: Wo er gar nicht da ist, ist er durch nichts zu machen. Aber er
ist im Menschen als Menschen verborgen, bereit zu entflammen, undvielleichtbei viel mehr Men-
schen, als gemeinhin angenommen wird. In der Atmosphäre wirklichen Geistes kommt er zur
Leuchtkraft. Daß dies so ist, ist der Glaube an den Menschen. Ohne solchen Glauben müßte man
aufhören, der Universität, damit aber auch der Wahrheit und Freiheit, eine Chance zu geben.
6. Zusammenfassung: Reform und Wiedergeburt
In der gesamten freien Welt ist die Universität zum Problem geworden. Man will es
besser machen.
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Humboldt in seinen Denkschriften und Verwaltungsakten bei der Begründung der Uni-
versität Berlin getan.349
Voraussetzung allen wesentlichen Tuns an der Universität durch die Forschenden,
Lehrenden, Lernenden (und der reformierenden Professoren und Staatsmänner) ist
diese von anderswoher kommende Idee der Wahrheit selber. Sie allein gibt den Ernst.
Sie allein gibt den Maßstab, der nicht ein verstandesmäßig festgesetzter Begriff ist, son-
dern in der Bewegung liegt, die jeden Sinn von Wahr sein ergreift. Mancher Jüngling,
der zur Universität kommt, betritt wohl zuerst, beschwingt von dem Enthusiasmus der
Vernunft, von der Macht der Wahrheit, von der Idee, die er ahnt, schon die Gebäude
der Universität in einer ihn über den Dunstkreis des Alltäglichen hinaushebenden
Stimmung. Zumal dort, wo der geschichtliche Grund mit sichtbaren Bauten und Zei- 90
chen gegenwärtig ist, hat er wohl das in seiner Nüchternheit verborgene Bewußtsein,
in einen gleichsam heiligen Raum einzutreten.350 In diesem erwartet er die Sprache der
Wahrheit zu hören, die aus allen Zeiten von den Griechen her und in der großartigen
Weise der modernen Wissenschaften zu ihm dringt.
Mag die Realität anders als diese Schilderung aussehen, mag die Universität als eine
nützliche, zum Erwerb von Berechtigungen durch Examina erstrebte Schule erschei-
nen, mag sie höchst unheilig, betriebsam, zerstreuend und durch ein Gestrüpp unbe-
quemer Formalitäten lästig sein - diese Realitäten lassen sich nicht leugnen. Aber nur
die, die unvorbereitet und nicht entflammt vom Funken der Wahrheit sind, sehen
nichts als nur dies. Die anderen treten ein mit der Erwartung jener höheren Autorität.
Sie lassen sich nicht täuschen durch den sich aufdrängenden realen Vordergrund. Sie
finden, was sie suchen, durch ihr eigenes Tun, durch die Weise ihres Studierens, durch die
Fülle der sich ihnen darbietenden Mittel. Vielleicht sehen sie es hier und da in Profes-
soren, deren Dasein, Forschung, Einsicht, Sprache sie anzieht und ihnen bestätigt, was
sie suchen. Wenn sie es aber nicht wiedererkennen, so hat es doch sein Leben dadurch,
daß sie es selbständig von neuem hervorbringen. Und sie werden die Professoren, ohne
sie viel zu schelten, schweigend anblicken mit der Forderung: Rettet die Idee eures We-
sens, daß ihr Vorbild für uns sein könnt.
Das ist die Stärke dieses Ursprungs: Er ist da, wenn der Funke gezündet hat, und ist dann
untilgbar. Das ist seine Schwäche: Wo er gar nicht da ist, ist er durch nichts zu machen. Aber er
ist im Menschen als Menschen verborgen, bereit zu entflammen, undvielleichtbei viel mehr Men-
schen, als gemeinhin angenommen wird. In der Atmosphäre wirklichen Geistes kommt er zur
Leuchtkraft. Daß dies so ist, ist der Glaube an den Menschen. Ohne solchen Glauben müßte man
aufhören, der Universität, damit aber auch der Wahrheit und Freiheit, eine Chance zu geben.
6. Zusammenfassung: Reform und Wiedergeburt
In der gesamten freien Welt ist die Universität zum Problem geworden. Man will es
besser machen.