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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0353
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278 Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
rang der Institutsordnungen vor der Universitätsordnung - alles wirkt zusammen, um
die Einrichtung der Universität auf neue Grundlagen stellen zu müssen:
Die Frage ist, ob dies möglich sei, ohne die Idee der Universität selber zu zerstören.
Es ist die Schicksalsfrage an die Universität. Will und kann die Universität unter neuen
Bedingungen die an sich keiner Zeit zugehörige Idee, ihre Erscheinung wandelnd, in
neuer Gestalt verwirklichen?
So lange diese Frage noch lebendig ist, bleibt eine Spannung zwischen den unüber-
windlich anmutenden Tendenzen, die die soziologische Analyse zeigt, und der Idee,
die von anderswoher kommt. Erst wenn die Idee erlischt, hört die Spannung auf und
ist die Universität verschwunden.
22 | In unserer Entscheidungssituation heute muß man Sinn und Grenze soziologi-
scher Erkenntnis gegenwärtig haben. Aus soziologischen Feststellungen folgt nie, was
sein soll, und nicht, was ich will. Soweit sie richtige Feststellungen sind, zeigen sie Rea-
litäten, immer in Grenzen und von partikularen Gesichtspunkten aus. Mit diesen Rea-
litäten ist zu rechnen, sie sind zu gestalten, wenn sie nicht zerstören sollen. In ihnen
selber aber ist ein wesentlicher Faktor der menschliche Wille, das was einige, was viele,
was die meisten sich vorstellen und wollen. Man darf sich den soziologisch feststell-
baren Realitäten nicht einfach unterwerfen. Denn Vorstellungen und Wissen sind sel-
ber Realitäten, aber wandelbar. Der Wille ist zur Erleuchtung und Umkehr fähig.
Man spricht von der »Ohnmacht des Geistes«375 und verzichtet mit diesem abscheu-
lichen Wort auf die eigene Verantwortung, erlaubt damit die Verwandlung seines geisti-
gen Tuns in Spielerei. Es ist richtig, von der Ohnmacht des Geistes zu sprechen in dem
Sinne, daß etwa kosmische Katastrophen lebloser Materie alles Leben vernichten, - daß
der Ziegelstein, der den Schädel einschlägt, den getöteten Menschen nicht mehr denken
und handeln läßt, - daß das Leben im Konzentrationslager den Menschen zum ständig
verminderten bloß biologischen Dasein in einer technisch folternden Maschinerie ver-
wandelt. In solchen Fällen bedeutet »Ohnmacht des Geistes« nichts anderes als daß Be-
dingungen eintreten können, unter denen er nicht mehr wirken kann. Gegen das Wort
der Ohnmacht des Geistes steht das Wesentliche: Soweit diese Bedingungen selber vom
Tun und Wollen der Menschen abhängig sind, hat der Geist, der im Augenblick ohn-
mächtig ist, auf längere Sicht die Macht, dieses Tun und Wollen zu bestimmen. Denn
wenn die Vorstellungen geändert sind, kann die Wirklichkeit nicht standhalten, sagt He-
gel.243 Gedanken, die die Welt verändern, kommen auf Taubenfüßen, meint Nietzsche.376
Jene Ohnmacht des Geistes ist keine Notwendigkeit. Nur der heute weithin zur
Denkgewohnheit gewordene Soziologismus macht aus relativen Perspektiven absolute
Erkenntnisse, macht aus Tatsachenfeststellungen, die als Mittel dienen können, die
Norm dessen, was getan werden soll.
23 | Das Wort von der Ohnmacht des Geistes erzeugt eine Grundstimmung der Un-
entrinnbarkeit, in der das geistige Tun überflüssig, daher unernst wird. Das Wort be-
deutet für den, der es glaubt, die Erklärung der Nichtigkeit des eigenen Tuns. Gerecht-
 
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