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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0372
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

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auch werde, Wissen durch Erfüllung oder durch Scheitern offenbar macht, was ist. Das
Selbstbewußtsein entwickelt sich durch Ergreifen des Wirklichen in der Welt, der Wei-
sen, es zu erforschen, des Sinns jeder besonderen Wissensweise, der gedanklichen Kon-
struktion der Möglichkeiten.
Dieses ursprüngliche Wissenwollen kämpft gegen die mit sich zufriedene bloße Bil-
dung als täuschende Beruhigung und Vollendung, gegen die leere Intellektualität als
gegen die Glaubenslosigkeit, welche nichts mehr will und darum auch nicht mehr ei-
gentlich wissen will, gegen die Mittelmäßigkeit, welche unter Wissen das Gelerntha-
ben von Ergebnissen versteht. Es kennt eine Befriedigung im Wissen nur, insofern die-
ses ein Forschen befördert, und sofern es darin Grenzen betritt, an denen das
Sprungbrett für ein Transzendieren über alle Wißbarkeit erreicht wird.
| Das ursprüngliche und unbedingte Wissenwollen hat sich in der Formel von der
Wissenschaft als Selbstzweck ausgesprochen, aber zweideutig. Denn wenn damit der
Wert schon jeder Tatsachenfeststellung, jeder methodischen Richtigkeit, jeder Erwei-
terung irgendeines Wissens behauptet werden sollte, wenn sich jede wissenschaftli-
che Beschäftigung als solche wie ein unantastbar Wertvolles gab, so zeigte sich eine
sonderbare Verwirrung. Die Endlosigkeit beliebiger Feststellungen, die Zerstreuung
der Wissenschaften in ein Vielerlei, das in sich keine Bezüge mehr hatte, die Selbstzu-
friedenheit eines spezialistischen Wissens bei Menschen, denen im ganzen Unwissen-
heit und Blindheit eigen war, der Betrieb der Wissenschaften als ein Massenphäno-
men mit dem ständigen Entgleisen in die Endlosigkeiten des bloß Richtigen, die
Aufhebung des Sinns von Wissenschaft in diesem Betrieb und zugleich sogar dessen
Nutzlosigkeit für Lebenszwecke, dies alles machte den Selbstzweck der Wissenschaft
verdächtig.
Die sogenannte Krisis der Wissenschaft212 führte zur Leugnung des Sinns der Wis-
senschaft. Man hat gesagt: Wissenschaft läßt sich zu allem brauchen; Wissenschaft ist
eine Hure; Wissenschaft läßt das Gemüt leer, ist lebensfremd, ein Hin- und Herfahren
von Schutt.
Diese Anklagen treffen Entartungen der Wissenschaft, Pseudowissenschaft, aber
nicht das ursprüngliche Wissenwollen. Aus diesem heraus ist vielmehr zu bekennen:
Wenn die Erkenntnis im Mittelalter im Gottschauen endete, wenn Hegel das Denken
seiner Logik Gottesdienst nannte,213 wenn sogar noch der Positivist im Erkennen das
Unerkennbare anerkennend stehen ließ, - so kann auch uns heute Wahrheit etwas Er-
füllendes sein. Radikaler zwar als je wird darüber nachgedacht, was Wahrheit sei. Daß
aber Wahrheit allein den Sinn unseres Wesens bringe, auch wenn wir nicht einmal
endgültig wissen, wie sie im Ganzen eigentlich ist und wohin sie führt, - daß es nichts
gibt, das wir nicht untersuchen möchten, - daß unser Leben im Denken einen eige-
nen Grund sucht - dieses ist heute noch lebendig. Es ist ein Wesenszug des Menschen
durch die Jahrtausende, weder psychologisch noch soziologisch eigentlich zu fassen,
ein Signum seiner höheren Abkunft.

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