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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0381
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

Philosophie nicht Urteile in bezug auf Gegenstände fällt, die der wissenschaftlichen
Forschung zugänglich sind. Wissenschaft sieht dem Philosophieren auf die Finger, daß
es nicht unbegründete Behauptungen und vermeintliche Beweise vorbringt, und zwar
tut sie das zum Gedeihen sowohl der reinen Wissenschaft wie der Philosophie selber.
Wissenschaft bedarf der Führung durch Philosophie, aber nicht in der Gestalt, daß Phi-
losophie in ihr angewandt würde, oder daß von der Philosophie die rechten Anwei-
sungen kämen (das beides würde vielmehr die abzuwehrende schlechte Vermischung
sein). Vielmehr ist Philosophie wirksam in den Antrieben des ursprünglichen Wissen-
wollens, in den Ideen, welche hellsichtig machen und zur Wahl der Gegenstände füh-
ren, in der Betroffenheit durch die Seinsbedeutung der Erkenntnisse. Philosophie
steckt in den Wissenschaften selber als der Gehalt, der dem methodischen wissen-
schaftlichen Verfahren, das doch durch ihn geführt ist, im ausdrücklichen Bewußt-
sein entgeht. Gehaltvolle Wissenschaften sind gleichsam konkrete Philosophie.222
Wenn in den Wissenschaften in diesem Sinne ein Selbstbewußtsein des eigenen Tuns
hell wird, so ist dieses Selbstbewußtsein schon bewußtes Philosophieren. Die Beschäf-
tigung aber des Forschers mit philosophischen Bemühungen führt, obgleich keine An-
wendungen und unmittelbare Brauchbarkeiten in Frage kommen, zur Auflockerung
des Umgreifenden im Forscher, zum Erwerb und zur Verstärkung von Antrieben für
seine Forschung, zum Sinnbewußtsein seines wissenschaftlichen Tuns.
b) Die Philosophie verhält sich zur Wissenschaft. Sie erkennt die Wissenschaft als un-
umgänglich an. Zugleich mit dem Bewußtsein ihres Unterschiedenseins von Wissen-
schaft bindet sich daher wahre Philosophie bedingungslos an Wissenschaft. Niemals
gestattet sie sich, erkennbare Wirklichkeit zu ignorieren. Was wirklich und was zwin-
61 gend erkennbar ist, will sie | grenzenlos wissen und zur Wirkung kommen lassen in
der Entwicklung ihres Seinsbewußtseins. Wer philosophiert, drängt zu den Wissen-
schaften und will in wissenschaftlichen Methoden erfahren sein.
Weil Wissenschaftlichkeit als Haltung Bedingung der Wahrhaftigkeit ist, wird Phi-
losophie zum Garanten der Wissenschaftlichkeit gegen die Wissenschaftsfeindschaft.
Sie sieht eine unerläßliche Bedingung der Menschenwürde in der Bewahrung der wis-
senschaftlichen Denkungsart. Ihr gilt Mephistos Drohung als wahr: »Verachte nur Ver-
nunft und Wissenschaft, des Menschen allerhöchste Kraft, ... so hab ich dich schon
unbedingt -«.223
 
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