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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0387
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

69 lein bringt in Berührung mit dem eigentlichen Prozeß des Erkennens, | dadurch mit
dem Geist der Wissenschaften. Er allein ist selbst lebende Wissenschaft, und im Ver-
kehr mit ihm ist die Wissenschaft, wie sie ursprünglich existiert, anschaubar. Er weckt
gleiche Impulse im Schüler. Nur wer selbst forscht, kann wesentlich lehren. Der an-
dere tradiert nur Festes, didaktisch geordnet.
Gegen die Idee der Einheit von Forschung und Lehre scheint die Erfahrung zu ste-
hen, daß im selben Menschen die eigentümlichen Qualitäten des Forschers und des
Lehrers keineswegs vereinigt zu sein brauchen. Max Weber erinnert an Helmholtz173
und Ranke,155 die als schlechte Lehrer galten. Er warnt mit Recht davor, die große Hör-
erzahl als Beweis der Qualität als Lehrer zu nehmen: »daß die Studenten einem Lehrer
zuströmen, ist in weitgehendem Maße von reinen Äußerlichkeiten bestimmt: Tempe-
rament, sogar Stimmfall, - in einem Grade, in dem man es nicht für möglich halten
sollte.« Wahr sei es freilich andererseits: »die Darlegung wissenschaftlicher Probleme
so, daß ein ungeschulter, aber aufnahmefähiger Kopf sie versteht, und daß er zum selb-
ständigen Denken darüber gelangt, ist vielleicht die pädagogisch schwierigste Aufgabe
von allen.«390 Aber wiederum: darüber, ob sie gehört werde, entscheiden nicht die Hör-
erzahlen. Und diese Gabe fällt nicht zusammen mit denen des Forschers und Gelehrten.
Rankes Lehre lag in seinen Seminaren, Helmholtz’ in seinem Laboratorium, beider
nicht wesentlich in ihren Vorlesungen. Die Wirkung der Lehre, die durch die Gegen-
wart des Forschers selber ausstrahlt, hat viele Wege. Nur eines ist gemeinsam, was Max
Weber zu seinem Zweifel an der Bedeutung großer Hörerzahlen (die seine eigenen Vor-
lesungen hatten) brachte und was er in dem Satze aussprach: »Wissenschaftliche Schu-
lung, wie wir sie nach der Tradition der deutschen Universitäten an diesen betreiben
sollen, ist eine geistesaristokratische Angelegenheit.«391 In dieser aber ist Forschung
und Lehre auf die Dauer untrennbar.

d) Wissenschaftliche Schulung und Fachschulung
Die Universität bringt Fachschulung für Berufe, deren Idee durch Menschen erfüllt
70 wird, deren Grund Wissenschaftlichkeit | ist. Dieser bedarf einer Ausbildung, welche
noch ohne spezialisierte Berufsausbildung in die Haltung des Forschens und der Me-
thoden einführt. Für die besonderen Berufe ist daher die beste Ausbildung nicht schon
das Erlernen eines abgeschlossenen Wissens, sondern die Schulung und Entfaltung der
Organe zu wissenschaftlichem Denken. Dann ist durch das Leben hindurch eine weitere
geistig-wissenschaftliche Ausbildung möglich. Für die Beruf sausbildung kann die Uni-
versität überall nur die Basis geben, die Ausbildung selbst erfolgt in der Praxis. Für diese
Ausbildung in der Praxis sollen durch die Universität die besten Voraussetzungen ge-
schaffen werden. Man muß Methoden des Fragens geübt haben. Man muß fachmäßig
irgendwo bis auf den letzten Grund gekommen sein, aber braucht nicht die Gesamt-
heit der fachmännischen Ergebnisse im Kopf bereit zu haben, wie es törichte Examina
verlangen. Nach dem Examen wird schnell vergessen. Dann entscheidet nicht der Be-
 
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